taz.de -- Klimaschutz in Deutschland: Kohleabgabe auf der Kippe
Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Gabriel erzielen keine Einigung. Berichte über einen Stopp der Abgabe werden noch dementiert.
Berlin taz | Auch nach der Erklärung der G7 zum langfristigen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas streitet die Bundesregierung weiter darüber, wie der CO2-Ausstieg der deutschen Kraftwerke reduziert wird, um das deutsche Klimaziel für das Jahr 2020 zu erreichen.
Bei einem Spitzengespräch am Dienstagabend konnten Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) keine Einigung erzielen. Gegen die von Gabriel vorgeschlagene Sonderabgabe für alte Kohlekraftwerke hatten Konzerne, Gewerkschaften und CDU protestiert und damit bereits eine Abschwächung erreicht.
Die Rheinische Post berichtete am Mittwoch unter Berufung auf Regierungskreise, dass auf die Abgabe nun komplett verzichtet wird; im Gegenzug hätten die Betreiber angeboten, freiwillig Kraftwerke stillzulegen. Dies dementierte Gabriels Sprecher. „Es gibt noch keine Entscheidung“, sagte er der taz.
Gabriel hatte sich zuvor kompromissbereit gezeigt und erklärt, er sei für Alternativen zur Kohleabgabe offen, sofern dadurch die gleiche Menge an CO2-Einsparung erreicht werde. Umweltverbände, die die Abschlusserklärung des G-7-Gipfels überwiegend mit Begeisterung aufgenommen hatten, warnten die Kanzlerin nun davor, der Kohle-Lobby nachzugeben.
„Die Bundesregierung darf sich nicht von einer Splittergewerkschaft wie der IG BCE und kriselnden Energiekonzernen die Politik diktieren lassen“, fordert Greenpeace-Energieexperte Tobias Münchmeyer. „Vor den Kohleunternehmen jetzt einzuknicken beschädigt die Glaubwürdigkeit der Kanzlerin national wie international massiv“, sagt WWF-Geschäftsführer Eberhard Brandes.
Und Germanwatch-Direktor Christoph Bals warnt, dass die diskutierten Alternativen nicht ausreichten, um das deutsche Klima-Ziel zu erreichen, und zudem teurer sein.
10 Jun 2015
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