taz.de -- SPD im Wahlkampf: Das gut vernetzte Peer-Projekt

Mit einem privat finanzierten Blog machen anonyme Unternehmer Wahlwerbung für Peer Steinbrück als Kanzler. Aber ausdrücklich nicht für seine Partei.
Bild: Großzügig finanziert - aber anonym. Mit dem Peerblog spielt Steinbrück auch im Netz eine (kleine) Rolle

BERLIN taz Die Generalsekretärin war eingeweiht. Gefragt nach [1][peerblog.de], dem gerade an den Start gegangenen Webblog für SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, sagte Andrea Nahles am Montag vor Journalisten, es handele sich hier um eine von ihrer Partei „unabhängige Initiative“. Nahles, die vom Berliner Willy-Brandt-Haus aus den Bundestagswahlkampf koordiniert, habe vor einigen Wochen von [2][peerblog.de] erfahren, „und ich hatte gegen die Grundidee keine Einwände“.

Mag sein, dass Andrea Nahles das Blog als, wie sie sagt, „übliche Unterstützerplattform“ einordnet. Dennoch ist diese privat finanzierte Initiative ein Novum im deutschen Bundestagswahlkampf. Denn die Finanziers der Seite unterstützen ausdrücklich die Person Peer Streinbrück, nicht aber die SPD, deren Spitzenkandidat er ist.

Die in den Piratenpartei-Farben Schwarz-Orange gestaltete Seite – Slogan: „Kompetent. Kernig. Klar.“ – preist einerseits den Kanzlerkandidaten und macht andererseits Witze auf Kosten der Kanzlerin. „Abschiedswochen“ heißt die Rubrik, die den politischen Niedergang von Angela Merkel belegen soll. So einfach kann das manchmal sein.

Konzipiert, ins Netz gestellt und redaktionell betreut wird [3][peerblog.de] von der Düsseldorfer Kommunikationsagentur steinkuehler.com. Deren Chef, der frühere Focus-Journalist Karl-Heinz Steinkühler, soll laut Spiegel für das Peer-Projekt eine sechsstellige Summe von privaten, ungenannt bleiben wollenden Unternehmern bekommen haben. Die Geldgeber wünschen sich laut [4][peerblog.de] „einen Kanzler, der Deutschland in Europa und in der Welt stabilisiert. Sie setzen nur auf die Person Steinbrück.“

Mischung aus Heldenverehrung und US-Wahlkampf-Kopie

Dem Handelsblatt sagte Agenturchef Steinkühler, das Blog sei eine Sache, „die nichts mit der Partei des Kandidaten zu tun hat“. Seine Firma stelle den anonymen Auftraggebern den Agenturaufwand in Rechnung. Dass er Steinbrück seit vielen Jahren gut kenne, sei kein Geheimnis. Der aktuelle Spiegel bringt den Journalisten mit dem Blog „Wir in NRW“ in Verbindung, das im Landtagswahlkampf 2010 durch Enthüllungen „maßgeblichen Anteil daran hatte, dass Rüttgers in Frührente geschickt und SPD und Grüne einen denkbaren knappen Wahlsieg einfuhren“.

Sprachlich und stilistisch liest sich [5][peerblog.de] als eine Mischung aus Heldenverehrung und US-Wahlkampf-Kopie. „It’s a long run!“ ist der Einführungstext überschrieben. Agenturchef Steinkühler und seine drei festen MitautorInnen haben Barack Obamas Wahlkampf aufmerksam beobachtet und dabei festgestellt, dass „das Internet zu DEM entscheidenden Tool seiner Kampagne“ wurde. „Wir haben uns Amerika angeschaut. 2008, 2012. Fasziniert, erstaunt, begeistert“, heißt es weiter. Die deutsche Politik habe hingegen „(bisher) nicht begriffen, wie es geht … Wir versuchen was. Wir haben was entwickelt. Für den Kandidaten Peer Steinbrück.“

Natürlich, so die Selbstauskunft, habe man Steinbrück „gefragt, ob wir für ihn bloggen dürfen“. Der habe „zugehört und analysiert. Er hat sein Okay gegeben, dass wir seinen Namen für diesen Blog nutzen können. Abseits seiner Partei.“ Beides – die selbstbewusst proklamierte Parteiferne sowie der Umstand, dass ein sozialdemokratischer Politiker Unternehmern gestattet, für ihn zu sprechen – könnte noch problematisch für Steinbrück werden.

Dieser Tage befindet sich der SPD-Kanzlerkandidat auf Europareise. Nach Irland trifft er sich im Laufe dieser Woche mit Politikern in Großbritannien, Griechenland und in den Niederlanden.

4 Feb 2013

LINKS

[1] http://peerblog.de
[2] http://peerblog.de
[3] http://peerblog.de
[4] http://peerblog.de
[5] http://peerblog.de

AUTOREN

Anja Maier
Anja Maier

TAGS

Kanzlerkandidatur
Wahlkampf
SPD
Peer Steinbrück
Blog
SPD
Wahlkampf
Peer Steinbrück
Peer Steinbrück
Bündnis 90/Die Grünen
SPD
Niedersachsen
SPD
Steinbrück

ARTIKEL ZUM THEMA

Wahlkampfpanne bei Sozialdemokraten: SPD macht peinlichen Fehler

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat laut einem Medienbericht auf ihrer Homepage um Spenden gebeten – mit einem Infoblatt der CDU.

Online-Wahlkampf: Werbefalle Wahlprogramm

Parteien lassen Bürger beim Wahlprogramm mitreden. Doch das hat seinen Preis: CDU und FDP verlangen eine E-Mail-Adresse – für Werbezwecke.

Steinbrück-Unterstützer stellen Blog ein: Peerblog bleibt offline

Die Macher des umstrittenen Peerblogs haben die Website eingestellt. Sie wollten SPD-Kandidat Peer Steinbrück unterstützen, doch ihre Anonymität wurde zum Problem.

Steinbrück-Unterstützerblog ist Offline: Aus Peerblog wird Peerweg

Nach einem Überlastungsangriff ist die Pro-Steinbrück-Site „Peerblog“ unerreichbar. Wer die Attacke organisierte, ist unbekannt – wer den Blog finanziert, ebenfalls.

Kritik an Peer Steinbrücks Blog: Transparenz statt anonyme Spender

Die Grünen fordern mehr Transparenz beim „Peerblog“. Ihr Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck will eine Verschärfung der Regeln zur Parteienfinanzierung.

Steinbrück in London: Peer und die Banker von morgen

Peer Steinbrück hätte gerne selbst an der London School of Economics studiert. Bei einer Rede vor LSE-Studenten fordert er, dass sie sich für die Gesellschaft interessieren.

SPD im Niedersachsen-Aufwind: Träume von der Macht

„Koch und Kellner“ ist passé: Nach der Niedersachsen-Wahl verrät Sigmar Gabriel schon mal, wie er sich das Regieren im Bund so vorstellt.

Debatte Peer Steinbrück: Der Mann von gestern

Nicht die Kommunikationspatzer Peer Steinbrücks sind das Problem, es ist seine autoritäre Staatsgläubigkeit. Sie passt nicht mehr zur Partei.

Peer Steinbrück über die Frauenquote: „Freiwillig geht es nicht“

Peer Steinbrück fordert eine 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte und Vorstände. Und wirft sich für die SPD-Männertroika in die Bresche.