taz.de -- Sondergipfel in Brüssel: Zoff ums EU-Budget

Der Haushaltsgipfel in Brüssel beginnt unter schlechten Vorzeichen. Merkel und Cameron fordern Einschnitte, Monti und Hollande wollen mehr Geld.
Bild: Wer bekommt wie viel? Europäische Länderchefs diskutieren über die Verteilung des EU-Budgets.

BRÜSSEL taz | Wer knackt die Billion? Und wie kann trotz des Sparzwangs das Wachstum in Europa gefördert werden? Das sind die Fragen, mit denen sich die 27 EU-Chefs ab Donnerstag in Brüssel befassen müssen. Bei ihrem zweiten Sondergipfel innerhalb von nur drei Monaten wollen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Kollegen versuchen, das EU-Budget für die Jahre 2014 bis 2020 festzuzurren – und die Gräben der letzten Wochen zuzuschütten.

Das wird nicht leicht. Denn schon beim letzten Budgetgipfel im November waren die Fronten verhärtet. Auf der einen Seite standen die EU-Kommission und Länder wie Polen oder Spanien, die für die nächsten sieben Jahre knapp über eine Billion Euro veranschlagen wollten. Auf der anderen Seite stritten London und Berlin für harte Einschnitte. Merkel hatte sich kurz vor dem Gipfel überraschend auf die Seite des britischen Premier David Cameron geschlagen.

Mit Erfolg: Der Entwurf wurde gekappt, jetzt ist nur noch von 972 Milliarden Euro (ohne Entwicklungshilfe und diverse Schattenhaushalte) die Rede. Davon sollen 372 Milliarden Euro (36,8 Prozent) in die umstrittenen Agrarsubventionen fließen, die Strukturfonds sind mit 339 Milliarden der zweitgrößte Posten. Für die EU-Verwaltung sind 62,6 Milliarden Euro vorgesehen, das sind 6,1 Prozent des Gesamtvolumens.

Der Club der Geld-zurück-Politiker

Doch Merkel und Cameron ist das immer noch zu viel. Sie fordern weitere Einschnitte – zum Beispiel bei den Beamtengehältern. „Mehrere tausend“ EU-Beamte würden mehr verdienen als Merkel, hieß es am Wochenende in Berlin. Die EU-Kommission dementierte zwar und erinnerte daran, dass man versuche, „die Besten“ für Europa zu begeistern – doch es half nichts: Merkel fordert Opfer.

Dabei begibt sie sich in merkwürdige Gesellschaft. Zum Club der Geld-zurück-Politiker gehört nämlich nicht nur Cameron, der gleichzeitig eisern am Britenrabatt festhält und mit einem EU-Austrittsreferendum droht. Dazu zählen auch Schweden und Dänen, die nicht einmal dem Euro angehören. Mit von der Partie sind sogar die Niederlande, die ins Lager der EU- und Euroskeptiker gewechselt sind.

Monti will mehr Geld für Italien

Zugeständnisse fordert aber auch Italien. Trotz der Eurokrise gehöre sein Land zu den größten Nettozahlern, klagte Nochpremierminister Mario Monti am Wochenende. Monti fordert allerdings keine großen Einschnitte, sondern mehr Geld für Italien – ähnlich wie Frankreichs Staatschef François Hollande, der vor allzu harten Schnitten warnte. Die Kürzungen dürften nicht zulasten des Wachstums gehen, sagte Hollande im Europaparlament.

Das tun sie allerdings jetzt schon: Für den erst im Juni beschlossenen Wachstumspakt ist kein Geld da. Sollten die angedrohten neuen Kürzungen umgesetzt werden, könnte die EU zum ersten Mal ein Budgetdefizit bekommen, warnte der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion, Joseph Daul. Sozialdemokraten und Grüne drohten sogar mit Ablehnung, falls das Budget sozial unausgewogen sei.

Seither herrscht in Brüssel Alarmstufe Rot. Denn ohne das Parlament tritt das neue EU-Budget nicht in Kraft. Um die Gemüter zu beruhigen, zauberte Ratspräsident Herman Van Rompuy über Nacht ein „mehrere Milliarden“ Euro schweres Sonderprogramm gegen die Jugendarbeitslosigkeit aus dem Hut. Wie er es finanzieren will, sagte der Belgier allerdings nicht.

7 Feb 2013

AUTOREN

Eric Bonse

TAGS

EU-Haushalt
EU-Gipfel
Schwerpunkt Angela Merkel
David Cameron
EU
EU
Schwerpunkt Frankreich
EU
Eurozone
EU
Großbritannien
David Cameron
EU-Haushalt
EU
EU

ARTIKEL ZUM THEMA

Streit um EU-Agrarzuschüsse: Mehr Kohle für Kleinbauern

Die Agrarminister der Länder haben sich auf die Verteilung der EU-Landwirtschaftssubventionen geeinigt. Großbetriebe kassieren demnach bald weniger.

Eklat im EU-Budgetstreit: Parlamentarier fühlen sich verarscht

Im Milliarden-Streit um die Finanzierung der EU verkündet die irische Ratspräsidentschaft eine Einigung, die keine ist. Ein CDU-Mann schmeißt hin.

Arbeitnehmerrechte in Frankreich: Staat will Fabriken offen halten

Unternehmen sollen profitable Standorte in Frankreich nicht mehr schließen dürfen. So jedenfalls will es die Regierung in Paris und plant ein entsprechendes Gesetz.

Budget der EU: Umständlich auf Eckpunkte geeinigt

Die EU-Staaten haben sich auf einen Rahmen des Finanzpakets verständigt. Auch ein neuer Fonds zum Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit ist geplant.

Streit über Wechselkurse: Kleinkrieg um den Euro

Merkel und Hollande zoffen sich über den Wechselkurs ihrer Währung. Japan, die USA und selbst die Schweiz kurbeln mit günstigen Kursen den Export an.

Budgetstreit in der EU: Beamte im Gehalts-Check

Vor dem Budgetgipfel streiten Berlin und Brüssel über die Kosten der EU-Verwaltung. Derzeit steht vor allem ein Sparposten im Fokus: die Beamtengehälter.

Streit der Woche: Soll Großbritannien die EU verlassen?

David Cameron hat versprochen, dass die Briten 2017 über ihren Verbleib in der EU entscheiden können. Damit löste er Empörung aus. Brauchen wir den Inselstaat?

Großbritannien und die EU: „Ein Austritt wäre nicht dramatisch“

Die EU darf sich von Großbritannien nicht erpressen lassen, sagt Daniel Cohn-Bendit von den Grünen. Die übrigen Staaten müssten eine Schutzmauer um die EU bauen.

Kommentar EU-Referendum: Camerons Restrisiko

Premier Cameron beschert mit dem EU-Referendum Großbritannien innenpolitischen Frieden – und ökonomische Unsicherheiten.

Verhandlungen EU-Haushalt: 2013 ist ja noch weit weg

Die Verhandlungen zum EU-Haushalt bis 2020 sind unterbrochen. Die Briten wollen sparen, die Franzosen mehr Subventionen. Eine Einigung ist nicht in Sicht.

Budget-Verhandlungen für 2013 geplatzt: Streit um EU-Haushalt eskaliert

Die Verhandlungen über das EU-Budget für 2013 blieben ergebnislos. Und auch beim Treffen für die Finanzplanung von 2014 bis 2020 droht Streit.

EU-Gipfel in Brüssel: Ein, zwei, drei, ganz viele Budgets

Soll die Eurozone eine eigene Kasse bekommen? Und wenn ja, was soll damit bezahlt werden? Darüber wird beim EU-Gipfel heftig gestritten werden.