taz.de -- Eurokolumne: Kein Währungskrieg, nirgends

Die Finanzminister der G-20-Staaten haben den Währungskrieg offiziell abgeblasen. Doch standen wir wirklich kurz vorm Abgrund und sind nun gerettet?
Bild: Wie jetzt? Harmonie der Währungen?

Ein interessantes Wort schwirrte vergangene Woche durch die Medien: „Währungskrieg“. Die Weltbank fürchtete, dass er demnächst ausbrechen könne, die Europäische Zentralbank wiegelte eher ab und die Finanzminister der G-20-Staaten verkündeten nach eingehenden Beratungen: Wenn es nach ihnen gehe, sei der Krieg abgeblasen. Sind wir jetzt gerettet?

Der „Währungskrieg“ ist nicht die erste militärische Metapher, die benutzt wird, um das Treiben auf den Finanzmärkten zu beschreiben. Der US-Starinvestor Warren Buffet hat Kreditderivate einmal „Massenvernichtungswaffen“ genannt, und schon Lenin befand, immer wieder gern zitiert: „Wer die Kapitalisten vernichten will, muss ihre Währung zerstören.“

Die Realität sieht eher langweilig aus

Metaphorisch ist der „Währungskrieg“ also enorm aufgeladen, während die Realität eher langweilig wirkt. Wer nur den Eurokurs betrachtet, würde niemals auf den Gedanken verfallen, dass plötzlich Drama herrscht. Der Dollar steht bei 1,34 zum Euro – wie schon vor genau einem Jahr. Damals hatte jedoch niemand den Einfall, einen „Währungskrieg“ auszurufen. Was also ist in der Zwischenzeit geschehen?

Das Stichwort heißt Japan. Dort hat der neue Premier Shinzo Abe die Druckerpresse angeschmissen. Mit einer Flut von Yen will er eine künstliche Inflation erzeugen, um sein Land aus der sogenannten Deflationsfalle zu befreien. Seit Jahren sinken die Preise und die Löhne in Japan, was die Binnennachfrage lahmen lässt. Daher stagniert die Wirtschaft, was Preise und Löhne erneut nach unten drückt. Das Land ist in einer Deflationsspirale gefangen.

Japan verfolgt zwar vor allem binnenwirtschaftliche Ziele, aber natürlich bleiben externe Folgen nicht aus. Wenn ein Land plötzlich seine Geldmenge erhöht, dann sinkt der Kurs. Denn sobald mehr Yen im Umlauf sind, ist der einzelne Yen im Vergleich zum Euro oder zum Dollar weniger wert.

In Japan laufen die Notenpressen heiß

Für ausländische Kunden ist dies erfreulich, weil sie nun umgerechnet weniger für japanische Waren zahlen müssen. Genau diesen Effekt fürchten Europäer und Amerikaner: Indem die Japaner ihre Notenpresse anwerfen, versuchen sie nicht nur, ihre Binnenwirtschaft zu päppeln – gleichzeitig verbilligen sie ihre Exporte. Es scheint also tatsächlich ein „Währungskrieg“ zu toben, bei dem die Beute „Weltmarkt“ heißt.

Bevor jedoch alle mental zu den Waffen greifen, lohnt erneut ein Blick auf die Kurse. Es stimmt zwar, dass der Yen in den vergangenen Wochen dramatisch abgewertet hat: Im November stand er noch bei 102 zum Euro, jetzt ist er schon bei 124. Trotzdem ist der Yen immer noch deutlich höher bewertet als vor ein paar Jahren: Anfang 2008 lag er bei 165 zum Euro. Obwohl Japan die Notenpresse anwirft, gelingt es nicht, die Auswirkungen zu kompensieren, die die US-Finanzkrise und die Eurokrise auf den Yenkurs hatten.

Die eigentlichen Soldaten sind nicht die Nationalstaaten

Ein „Währungskrieg“ ist also nirgends zu sehen. Allerdings sollte man nicht umgekehrt annehmen, dass auf den Finanzmärkten jemals Frieden oder Normalität herrschte. Die Neoliberalen glauben zwar gern, dass die Finanzmärkte gegen ein Gleichgewicht tendieren, bei dem sich Angebot und Nachfrage zu einem „natürlichen“ Kurs finden. Auch die G 20 werden in Moskau eine Erklärung verabschieden, die dies sinngemäß behauptet. Aber das ist Unsinn. Die Währungskurse werden permanent und systematisch verzerrt – durch die Spekulation.

Dies ist der Fehler an der Metapher „Währungskrieg“: Sie unterstellt, dass die Nationalstaaten die Hauptakteure wären. Tatsächlich sind die Währungsmärkte eher ein großes „Kasino“, bei dem die Regierungen und Notenbanken nur einen kleinen Teil der Chips halten.

18 Feb 2013

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Ulrike Herrmann
Ulrike Herrmann

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