taz.de -- Nordkoreas Geschrei und China: Das Dilemma mit Baby Kim
Die internationale Staatengemeinschaft hofft, dass China Nordkorea zur Vernunft bringt. Doch bislang trotzt Jong-Un allen Appellen und verärgert den einzigen Verbündeten.
PEKING taz | Als „Fettwanst“ verspotten sie ihn, nennen ihn „Baby Kim“ oder „Irren“. Bis vor Kurzem haben die chinesischen Zensurbehörden solche Einträge im Internet noch löschen lassen. Immerhin handelt es sich um den Staatschef eines befreundeten Bruderstaates. Dass sich Chinesen ganz offen über den nordkoreanischen Jungdiktator hermachen dürfen, ist ein Indiz, dass selbst Chinas Führung nur noch wenig Verständnis für das Geschrei aus Pjöngjang übrig hat.
Spätestens seit dem Atomtest Mitte Februar ist auch Peking verärgert über das Kim-Regime. Chinas Führung war es, die mit den USA gemeinsam die Verschärfung der UN-Sanktionen ausgearbeitet haben. Und das Regime in Pjöngjang rächt sich nun: Die Aufforderung, die Botschaften zu schließen, richtet sich auch an die Chinesen. Einen solchen Affront hat es in der Beziehung dieser sozialistischen Bruderstaaten noch nie gegeben.
Mitte der vergangenen Woche hatte Chinas Außenamtssprecher Hong Lei noch alle Seiten zur Besonnenheit aufgerufen. Die Lage sei insgesamt „kompliziert“ und „heikel“. Nun mehren sich jedoch in der chinesischen Führung die Stimmen, offen den Bruch mit Nordkorea zu wagen. Luo Yuan, ehemaliger Generalmajor der chinesischen Volksbefreiungsarmee, erklärte, es sei unwichtig, dass man früher auf einer Seite gekämpft habe. „Wer bewusst unseren Interessen schadet, den müssen wir uns vornehmen.“
Chinas Staatspräsident Xi Jinping geht noch nicht ganz so weit. Ohne Nordkorea beim Namen zu nehmen, erklärte er am Sonntag, dass es keinem Staat erlaubt sei, die ganze Welt aus Eigennutz ins Chaos zu stürzen. Das „globale Dorf“ dürfe keine „Arena für Gladiatoren“ werden. Eine klare Verurteilung Nordkoreas blieb aber aus.
Der junge Kim zu unberechenbar
Chinas Regierung sieht sich in einem Dilemma. Sie hat kein Interesse daran, dass Pjöngjang zur Atommacht aufsteigt – für zu unberechenbar hält auch die Pekinger Regierungsspitze den jungen Kim. Den offenen Bruch will Peking aber auch nicht – zu groß die Gefahr, dass bei einem Sturz des Regimes eine proamerikanische Regierung die Führung in Pjöngjang übernehmen könnte und sie US-Soldaten bis zur chinesischen Grenze zulassen würde. „Peking will Nordkorea als Pufferstaat erhalten“, sagt der chinesische Außenpolitikexperte Zhu Zhangping.
Chinesische Insider bezweifeln indes, ob Peking wirklich noch über viel Einfluss verfügt. „Es ist unmöglich, Nordkorea zur Aufgabe seines Atomprogramms zu bringen“, sagt Liu Ming von der Shanghai Academy of Social Studies. Selbst ein Lieferstopp von Öl und der dringend benötigten Lebensmittel würde nicht viel bringen, so Liu. Das würde Pjöngjang bloß noch unberechenbarer machen.
7 Apr 2013
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Wahnsinn hat Methode: Warum wir Diktatoren zu Kranken erklären müssen. Und welche Rolle Elefanten und Onkel aus dem Westen dabei spielen.
Kim Jong Un spricht von „mächtigen Angriffswaffen“. Wie weit Nordkorea mit der Entwicklung seiner Atombombe tatsächlich ist, wird unterschiedlich bewertet.
Japan rüstet angesichts des schwelenden Korea-Konflikts auf. In Tokio wurden Patriot-Raketen stationiert, ins japanische Meer wurden Zerstörer zur Luftabwehr entsandt.
Pjöngjang will seine Arbeiter aus dem mit Südkorea betriebenen Industriepark Kaesong abziehen. Ein Zeichen außenwirtschaftlicher Umorientierung?
Laut der südkoreanischen Regierung mehren sich die Anzeichen, dass Nordkorea seinen vierten Atomtest vorbereitet. Die USA reagieren gelassen, China mahnt.
Deutschland, Russland und Großritannien wird von Nordkorea nahegelegt, ihre diplomatischen Vertretungen in Pjöngjang zu räumen. Die Reaktionen sind verhalten.
Die westlichen Länder reagieren mit Drohungen und Vorbereitungen für eine militärische Auseinandersetzung. Als sei die Propaganda aus Pjöngjang ernst zu nehmen.
Unter dem Usernamen „uriminzokkiri“ kommuniziert die nordkoreanische Führung in mehreren sozialen Netzwerken. Anonymous hat diese offenbar gehackt.