taz.de -- Experten uneinig über Atomraketen: Hat Kim die Bombe?
Kim Jong Un spricht von „mächtigen Angriffswaffen“. Wie weit Nordkorea mit der Entwicklung seiner Atombombe tatsächlich ist, wird unterschiedlich bewertet.
WASHINGTON ap | In Washington und Seoul gibt es unterschiedliche Einschätzungen über die Fähigkeit Nordkoreas, eine ballistische Rakete mit einem Atomsprengkopf zu bestücken. Bei einer Anhörung in einem Kongressausschuss zitierte ein Abgeordneter aus einem Bericht des Militärgeheimdienstes DIA, wonach Nordkorea eine solche Waffe abfeuern könnte, diese aber noch unzuverlässig sei.
Das südkoreanische Verteidigungsministerium widersprach: Nordkorea sei es noch nicht gelungen, einen Atomsprengkopf so zu verkleinern, dass er von einer Rakete getragen werden könnte, sagte Ministeriumssprecher Kim Min Seok.
Das schien den anwesenden Stabschef der Streitkräfte, General Martin Dempsey, zu überraschen. Dempsey sagte, er kenne den Bericht nicht und werde keine Fragen dazu beantworten. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, George Little, erklärte später, er könne nicht zu allen Details des vom Abgeordneten Doug Lamborn zitierten Bericht Stellung nehmen, der vollständig unter Geheimhaltung stehe. „Es wäre falsch, den Eindruck zu erwecken, dass das nordkoreanische Regime die (in Lamborns Bemerkungen) angesprochenen Arten nuklearer Fähigkeiten vollständig getestet, entwickelt oder demonstriert hat“, sagte Little.
Nach dem Pentagonsprecher meldete sich auch noch der Nationale Geheimdienstdirektor James Clapper zu Wort. Er stimme mit Little überein, sagte er. „Ich würde hinzufügen, dass die vom Ausschussmitglied (Lamborn) zitierte Erklärung keine Einschätzung der Geheimdienstgemeinschaft ist. Darüber hinaus hat Nordkorea noch nicht die volle Bandbreite der für eine atomar bewaffnete Rakete erforderlichen Fähigkeiten demonstriert.“
„Vom Schlimmsten ausgehen“
Die von Lambert zitierte DIA-Einschätzung wurde von einem Kongressmitarbeiter bestätigt, der seinen Namen nicht genannt wissen wollte, weil das Pentagon den Bericht nicht offiziell veröffentlicht habe. Der DIA-Bericht sei im März erstellt worden, sagte er.
Dempsey hatte am Mittwoch gesagt, die Einschätzung, ob Nordkorea einen Atomsprengkopf auf eine ballistische Rakete montieren könne, sei geheim. Er verwies aber darauf, dass Nordkorea bereits mehrere Atomwaffen- und Raketentests durchgeführt habe. „Und in Abwesenheit konkreter Beweise des Gegenteils müssen wir vom schlimmsten Fall ausgehen“, fügte er hinzu.
In derselben Anhörung, in der Lamborn die DIA-Einschätzung enthüllte, wurde Verteidigungsminister Chuck Hagel gefragt, ob Nordkorea in der Lage sei, die USA mit einer Atomwaffe zu erreichen. Hagel sagte, die Antwort laute nein. „Nun, heißt das, dass sie keine (Atomwaffe) haben werden oder sie nicht daran arbeiten?“, fragte Hagel selbst. „Nein. Deshalb ist das eine sehr gefährliche Situation.“
US-Präsident Barack Obama warnte Pjöngjang unterdessen vor einer weiteren Eskalation seiner Kriegsdrohungen. Nordkorea müsse seine „kriegerische Haltung“ aufgeben, sagte Obama am Donnerstag nach einem Treffen mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon im Weißen Haus. Er sei an einer diplomatischen Lösung der Spannungen auf der koreanischen Halbinsel interessiert, erklärte Obama. Zugleich betonte er, die USA würden „alle notwendigen Schritte ergreifen, um ihr Volk zu schützen“.
Nordkorea hatte zuletzt seine Drohungen gegen die USA verschärft und vor einem Atomanagriff gewarnt. Hintergrund sind neue Sanktionen, die der UN-Sicherheitsrat in Reaktion auf einen Raketenstart Pjöngjangs im Februar gegen Nordkorea verhängt hatte. Am Donnerstag erklärte das kommunistische Land, es halte „mächtige Angriffswaffen“ zum Abschuss bereit.
12 Apr 2013
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Nur mit wenigen Stimmen Unterschied scheiterte eine Resolution der Atomenergiebehörde gegen Israels Atombomben. Die Entschließung lag zum dritten Mal vor.
Laut dem Friedensforschungsinstitut Sipri gibt es weltweit insgesamt weniger Atomwaffen. Dennoch werden in vielen Ländern Arsenale modernisiert oder aufgestockt.
Der Wahnsinn hat Methode: Warum wir Diktatoren zu Kranken erklären müssen. Und welche Rolle Elefanten und Onkel aus dem Westen dabei spielen.
Am Montag wäre Kim II Sung, der „ewige Führer“ Nordkoreas, 101 Jahre alt geworden. Auch Deutsche schicken Glückwünsche.
Nirgendwo tragen Nachrichtensprecherinnen Meldungen so leidenschaftlich vor wie in Nordkorea. Und wenn es der Anlass gebührt, brechen sie auch schon mal in Tränen aus.
China und USA sind sich einig: Die koreanische Halbinsel soll atomwaffenfrei werden. Wie eine gemeinsame Reaktion auf Nordkoreas Provokationen aussehen soll, bleibt unklar.
Nordkorea geht auf Distanz zu China. An beiden zentralen Grenzübergängen dürfen Touristengruppen nicht einreisen. Der Handel liegt brach.
Japan rüstet angesichts des schwelenden Korea-Konflikts auf. In Tokio wurden Patriot-Raketen stationiert, ins japanische Meer wurden Zerstörer zur Luftabwehr entsandt.
Pjöngjang will seine Arbeiter aus dem mit Südkorea betriebenen Industriepark Kaesong abziehen. Ein Zeichen außenwirtschaftlicher Umorientierung?
Die internationale Staatengemeinschaft hofft, dass China Nordkorea zur Vernunft bringt. Doch bislang trotzt Jong-Un allen Appellen und verärgert den einzigen Verbündeten.