taz.de -- Telekom ohne Flatrates: Internet wie in den 90ern
Gdüng, Gdüng, Gdüng... die Zeiten des Modems sind vorbei. Doch wenn die Anbieter die DSL-Flatrates abschaffen, ist die Netzneutralität nicht mehr gegeben.
BERLIN dpa/taz | Die Deutsche Telekom will auch im Festnetz die Internet-Geschwindigkeit ab einer bestimmten Datenmenge drosseln. Vom 2. Mai an sollen die Tarifbedingungen für neue Verträge entsprechend geändert werden, teilte der Konzern am Montag mit. [1][//netzpolitik.org/2013/abschaffung-der-flatrate-vodafone-folgt-der-deutsche-telekom/:Netzpolitik.org berichtet], dass die Deutsche Telekom in Verhandlungen mit anderen Marktteilnehmern steht, um nicht alleine diesen Schritt zu gehen. Unter anderem soll Vodafone bald mitziehen.
Auf Nachfrage der taz hat Vodafone entsprechende Pläne dementiert: „Aktuell haben wir keine Pläne, die DSL Geschwindigkeit unserer Kunden nach einem bestimmten Verbrauch zu drosseln“, erklärt Unternehmenssprecher Alexander Leinhos.
Telekoms Tempo-Bremse könnte allerdings erst in einigen Jahren tatsächlich greifen: „Wir gehen bisher davon aus, dass wir die Limitierung technisch nicht vor 2016 “, erklärte Marketing-Manager Michael Hagspihl. Der Verein Digitale Gesellschaft wertete die Entscheidung der Telekom als „Abschaffung der Flatrate“.
Die Obergrenzen bei der Telekom werden künftig je nach Anschluss-Tempo gestaffelt. In Tarifen mit Geschwindigkeiten bis zu 16 Megabit pro Sekunde sind bis zu 75 Gigabyte Datenverkehr inbegriffen. Bei schnelleren Anschlüssen von bis zu 50 MBit/Sekunde liegt die Obergrenze bei 200 Gigabyte. Für 100 und 200 MBit/Sekunde sind es jeweils 300 und 400 GB.
Ist das Volumen ausgeschöpft, kann die Leitung wie heute bei Mobilfunk-Verträgen auf ein Schneckentempo von 384 Kilobit pro Sekunde gedrosselt werden. Diejenigen, die dann mit hoher Geschwindigkeit weitersurfen wollen, werden sich zusätzliches Datenvolumen dazubuchen können, kündigte die Telekom an. Tarife dafür sollen später bekanntgegeben werden.
15 bis 20 Gigabyte im Monat
Im Schnitt entstehe aktuell bei einem Kunden ein Datenvolumen von 15 bis 20 Gigabyte im Monat, erklärte die Telekom. Die niedrigste Obergrenze sei neben dem Surfen im Netz und dem Bearbeiten von Mails „beispielsweise ausreichend für zehn Filme in normaler Auflösung plus drei HD-Filme, plus 60 Stunden Internetradio, plus 400 Fotos und 16 Stunden Online-Gaming“.
Zugleich macht die Telekom einige Ausnahmen, vor allem für eigene Dienste und Angebote von Partnern. So wird das Datenvolumen aus dem hauseigenen Fernsehdienst Entertain nicht mit eingerechnet, ebenso wie Sprachtelefonie über den Telekom-Anschluss.
Die Nutzung anderer Anbieter wie Apples iTunes oder Amazons Streaming-Dienst Lovefilm würde nach aktuellem Stand an dem Inklusiv-Volumen zehren, wie ein Telekom-Sprecher bestätigte. Internet-Dienste könnten aber eine Kooperation mit der Telekom eingehen für sogenannte Managed Services eingehen, „die in einer höheren und gesicherten Qualität produziert und vom Kunden gesondert bezahlt werden“.
Bei den schnellen VDSL und die Glasfaser-Anschlüssen sei eine Begrenzung des Highspeed-Volumens bereits vermerkt, aber nicht technisch umgesetzt, betonte die Telekom. Der Podcast „Fanboys“ hatte bereits vor einem Monat unter Hinweis auf Informationen aus der Telekom über die anstehenden Änderungen zum 2. Mai berichtet.
Niveau der 90er Jahre
Der Verein Digitale Gesellschaft kritisierte, eine solche Drosselung mache „die Verbindung unter heutigen Ansprüchen nicht mehr nutzbar“. Die Geschwindigkeit werde damit auf ein Niveau der 90er Jahre reduziert. „De facto ist das eine Sperre", erklärte Markus Beckedahl, Vorstand des Vereins Digitale Gesellschaft. Er sieht das Prinzip der „Netzneutralität“, also der gleichberechtigten Durchleitung allen Datenverkehrs, in Gefahr.
Daten-Obergrenzen sind nicht nur ein Telekom-Thema. So hat Kabel Deutschland in seinem Kleingedruckten auch eine Volumenklausel. „Lädt ein Kunde an einem Kalendertag ein Gesamtdatenvolumen von mehr als 10 GB herunter, ist Kabel Deutschland berechtigt, die ihm zur Verfügung stehende Übertragungsgeschwindigkeit ausschließlich für Filesharing-Anwendungen bis zum Ablauf desselben Tages auf 100 Kbit/s zu begrenzen“, heißt es in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Allerdings sind Anwendungen wie Internetsurfen, Video-Streaming oder Video-on-Demand-Angebote davon bisher ausdrücklich ausgenommen. Derzeit greift die Tempo-Bremse erst bei 60 Gigabyte pro Tag, wie ein Sprecher des Kabelanbieters erklärte. Davon seien bisher 0,1 Prozent der Kunden betroffen gewesen.
Das Nutzungsverhalten der Kunden
Der Netzbetreiber behält sich aber weitere Schritte vor, etwa wenn ein „derzeit nicht absehbares Nutzungsverhalten der Kunden“ Veränderungen nötig mache – sprich wenn das Datenvolumen so deutlich steigt, dass das Netz überlastet werden könnte.
Änderungen der Geschäftsbedingungen seien derzeit nicht geplant. Kabel Deutschland macht mit Paketen aus Telefon, Kabel-Fernsehen und Internet der Deutschen Telekom Konkurrenz, derzeit zählt der Konzern rund 1,8 Millionen Kunden, die Internet- und Telefondienste nutzen.
23 Apr 2013
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