taz.de -- Somalia-Konferenz in London: Somalia hofft auf Frieden

Kinder impfen, das ist ein konkreter Schritt zum Neuanfang in Somalias zerstörter Hauptstadt Mogadischu. Ein Besuch im größten Krankenhaus der Stadt.
Bild: Somalia soll endlich wieder normal sein: Kundgebung in Mogadischu anlässlich der Londoner Konferenz.

MOGADISCHU taz | Mohammed öffnet ein Auge und fängt an zu wimmern. Die Haut des kleinen Jungen sieht verbrannt aus und tut offensichtlich weh. Es sind aber Masern. „Er hat Komplikationen“, erzählt Doktor Yahya Scholeh, Kinderarzt im Banadir-Krankenhaus in Mogadischu. Der Isolationssaal liegt voll mit Kindern. Es gibt mal wieder eine kleine Epidemie.

Zwanzig Jahre Staatszerfall und Gewalt haben Somalia zu einem der schlimmsten Länder der Welt für Kinder gemacht. Nur ungefähr 30 Prozent aller somalischen Kinder sind geimpft. Aber heute feiert Doktor Scholeh, weil sein Land über eine Million Vakzinationen bekommt, finanziert von der öffentlich-privaten Partnerschaft Gavi und ausgeführt von der UN-Kinderhilfsorganisation Unicef und der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Der neue indische Impfstoff ersetzt die alten DTP-Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten. Pentavalent schützt neben den drei Krankheiten Kinder auch gegen Hepatitis B und HIB, eine Bakterie, die Meningitis, Lungenentzündung und Blutvergiftung verursacht.

„Momentan sterben 180 von tausend Kindern vor ihrem fünften Lebensjahr. Mit Pentavalent und der Impfkampagne können wir viele Kinder retten“, sagt der 27-jährige Arzt mit einem frohen Lachen.

Viel besser als vor sechs Jahren

Im Jahr 2007 war das Banadir-Krankenhaus, das größte in Mogadischu, überwiegend leer. Patienten lagen auf kaputten Matratzen auf dem Boden. Im OP-Saal standen gerade mal ein Tisch und eine Sauerstoffflasche. Jetzt stehen überall Betten mit Moskitonetzen, das Operationszimmer ist gut ausgestattet. Seit die islamistischen Rebellen der Shabaab-Miliz 2011 aus Mogadischu vertrieben wurde, hat das Krankenhaus viel ausländische Hilfe bekommen.

„Ich bekam mein Gehalt von den Hilfswerken, aber seit Somalia kein Nothilfeland mehr ist, müssen wir für uns selbst sorgen. Also kein Gehalt mehr. Aber wir behandeln Kinder umsonst“, erzählt Doktor Scholeh. Neben seiner 12-Stunden-Schicht, sechs Tage die Woche, verdient er etwas Geld an der medizinischen Fakultät der Universität. „Aber eines Tages möchte ich heiraten, und dann brauche ich ein richtiges Gehalt“, grinst er zum Abschied.

Auf der holprigen Straße vor dem Krankenhaus zieht ein müder Esel eine Karre mit einem Zementmixer. Überall in Mogadischu wird gebaut. Häuser und Geschäfte, zerfallen oder kaputtgeschossen in den letzten zwanzig Jahren, werden repariert. Die somalische Hauptstadt erfährt eine vorsichtige Metamorphose: von Ruine zu Aufbau.

Straßensperren und Verkehrsstaus

Doch die Sicherheit lässt noch viel zu wünschen übrig. Al-Shabaab verübt noch regelmäßig Selbstmordanschläge, vermehrt in den letzten Tagen. Die Villa Somalia, der Präsidentenpalast und Regierungssitz, ist schwer zu erreichen. Kontrollen, Betonsperren und hohe Mauern sollen Angreifer stoppen. Helfer und Besucher tragen kugelsichere Westen und Helme und bewegen sich in gepanzerten Fahrzeugen.

Aber ihre Konvois bleiben regelmäßig im Stau stecken: Unzählige neue glänzende Wagen, gefahren von frisch aus dem Exil heimgekehrten Somalis, verstopfen die Straßen, wo noch vor wenigen Jahren nur wenige rostige alte Autos fuhren. Die Heimkehrer haben aber meist ihre Frauen und Kinder noch nicht mitgebracht.

„Shabaab tötet nicht nur mit Anschlägen“, sagt zornig die Ministerin für Soziales, Maryan Qasim. Sie ist zuständig für Gesundheit, Jugend, Frauen und Bildung und freut sich über das neue Impfprogramm. „Im Shabaab-Gebiet werden Kinder weiter an Krankheiten sterben, die im Rest der Welt kaum noch vorkommen – weil sie nicht geimpft werden können.“

8 May 2013

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Ilona Eveleens
Ilona Eveleens

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