taz.de -- Der Sonntaz-Streit: „Kein Einzel- oder Sündenfall“

Die „Pille danach“ ohne Rezept? „Ja“, sagt die Vorsitzende von pro familia. Gegner argumentieren: Ärztliche Beratung muss sein.
Bild: So klein, sorgt bei vielen aber trotzdem für großen Ärger: Die Pille danach.

Die Bundesregierung lehnte am 15. Mai den Antrag von SPD und Linke ab, die Rezeptpflicht für die „Pille danach“ aufzuheben. In 79 Ländern ist die Rezeptfreiheit Normalität – dort reicht bei einem Verhütungsunfall der Gang in die Apotheke. Schränkt die Regelung in Deutschland die Selbstbestimmung von Frauen ein oder schützt sie diese vielmehr?

Jens Spahn von der CDU plädiert im aktuellen sonntaz-Streit für eine ärztliche Beratung, weil „die Einnahme je nach Zeitpunkt des Eisprungs nicht immer notwendig ist“. Die ärztliche Versorgung in Deutschland schätzt er als „gut und flächendeckend“ ein. Bereits im Februar hatte er gesagt: „Solche Pillen sind schließlich keine Smarties“, ein Zitat, was nach der Entscheidung der Bundesregierung auf [1][Twitter] bei betroffenen Frauen für Empörung sorgte.

Bei der Einnahme der „Pille danach“ handle es sich um eine „existenzielle Entscheidung, die nur die betroffene Frau fällen kann“, sagt hingegen der Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch: „Die gegenwärtige Tendenz in Europa und den USA, die sexuellen Selbstbestimmungsrechte von Frauen stärker einzuschränken, ist inakzeptabel“. Beim Verkauf in der Apotheke ist er für ein „aufklärendes Gespräch“.

Was dieses Beratungsgespräch anbelangt, wünscht sich die taz-Leserin Karin Lana, dass „Ärzte und Apotheker einen nicht anschauen, als wäre man ein Einzel- oder Sündenfall“.

Auch Karl Lauterbach, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, setzt sich seit Jahren für eine Liberalisierung der „Pille danach“ ein. Er betont, dass es sich nicht um ein Präparat handelt, mit dem abgetrieben werden könne.

„Keine alternative Verhütungsmethode“

Gegen die Rezeptfreiheit spricht sich hingegen die Präsidentin des Katholischen Frauenbundes, Maria Flachsbarth aus: Die „Pille danach“ sei ein Medikament, das in den Hormonhaushalt der Frau eingreife. Eine gute ärztliche Beratung sei daher angemessen und diene der Patientinnensicherheit. Bei dem Medikament handle es sich um ein „Notfallkontrazeptivum“, nicht um eine alternative Verhütungsmethode. Die „Pille danach“ dürfe nicht „wie eine Tablette gegen alltägliche Wehwehchen über den Ladentisch der Apotheke gehen“.

„Es gibt keine medizinischen Gründe für eine Rezeptpflicht", entgegnet Daphne Hahn, Vorsitzende von pro familia. „Diese führt zur Suche nach Notdiensten, langen Fahrten, peinlichen Befragungen, gegebenenfalls mit Zurechtweisung und im schlimmsten Fall zur Abweisung in den Klinikambulanzen“. Außerdem gibt sie zu bedenken, dass die „Pille danach“ in den ersten 24 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr am wirksamsten sei.

Die sonntaz-Frage beantworten außerdem Christian Albering, Vorsitzender des Berufsverbands deutscher Frauenärzte, Claude Billmann, französischer Apotheker, Oliver Gothe, Kondomdesigner- und Hersteller und Sarah Morr, taz-Leserin – in der aktuellen vom 25./26. Mai 2013.

25 May 2013

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[1] http://www.twitter.com

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Elisa Heidenreich

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