taz.de -- Aktivist in Istanbul: Der Mann der ersten Stunde
Sirri Süreyya Önder vertritt den Taksim-Platz im Parlament und stoppte vor Ort einen Bulldozer. Deshalb lag er sogar im Krankenhaus.
ISTANBUL taz | Es war im Morgengrauen des ersten Tages, an dem die bislang größte Protestbewegung der Türkei ihren Anfang nahm. Bulldozer hatten bereits eine Schneise in den Rand des Istanbuler Gezi-Parks gepflügt, als ein Mann in den Graben sprang und sich den Maschinen entgegenstellte.
Sein Name ist Sirri Süreyya Önder und seitdem kennt ihn die gesamte Türkei. Mit großem persönlichen Risiko stoppte Önder an diesem Morgen die Bulldozer und konnte so verhindern, dass die Istanbuler Stadtverwaltung bereits Fakten schuf, bevor die Protestbewegung zur Rettung des Gezi-Parks überhaupt richtig in Gang kommen konnte.
Sirri Süreyya Önder war bis dahin nicht vorrangig als Umweltschützer bekannt geworden. Er ist ein linker Filmemacher aus Istanbul, der sich schon länger in verschiedenen sozialen Bewegungen engagiert hatte und bei den Parlamentswahlen 2011 auf dem Ticket der kurdischen BDP als Unabhängiger Kandidat angetreten und gewählt worden war. Seitdem ist er Mitglied der BDP-Fraktion im Parlament in Ankara.
Friedensprozess mit PKK
Richtig aufgefallen war Önder einem breiteren Publikum aber erst zu Beginn dieses Jahres, als die Gespräche über einen Friedensprozess mit der PKK öffentlich wurden. Sirri Süreyya Önder gehörte zu einer der ersten Delegationen, die mit Erlaubnis von Erdogan persönlich den inhaftierten PKK Chef Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali besuchen durfte.
Zufällig ist Önder aber auch der parlamentarische Vertreter des Wahlkreises rund um den Taksim-Platz. Als solches sah er es als seine Pflicht an, sich in dem Konflikt um den Gezi-Park zu engagieren.
Önder blieb die ersten Tage nach der Besetzung im Park. Er war einer der Ersten, die bei den harten Polizeiaktionen durch Tränengasgranaten so schwer verletzt wurde, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.
13 Jun 2013
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