taz.de -- Proteste in Istanbul gehen weiter: Wasserwerfer ohne Nachtruhe

In der Nacht sind wieder Polizisten gegen Demonstranten vorgegangen. Allein am Sonntag sollen in Istanbul über 400 Menschen festgenommen worden sein.
Bild: Auf Nachtpatrouille: Istanbuler Polizisten in einem gepanzerten Fahrzeug

ISTANBUL dpa/rtr | In der Türkei ist die Polizei Berichten zufolge auch in der Nacht zum Montag wieder gewaltsam gegen regierungskritische Demonstranten vorgegangen. In Ankara setzten die Sicherheitskräfte Wasserwerfer und Tränengas gegen Gegner der islamisch-konservative Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ein, wie Aktivisten mitteilten.

In Istanbul habe die Polizei Demonstranten gewaltsam daran gehindert, zum zentralen Taksim-Platz zu ziehen. Auch sollen erstmals Erdogan-Anhänger Demonstranten attackiert haben. Zwei Gewerkschaftsverbände riefen aus Protest für Montag zu landesweiten Streiks auf.

Bei den Auseinandersetzungen in Istanbul hat die Polizei am Sonntag mehr als 400 Menschen festgenommen. Das teilte die Rechtsanwaltskammer in der türkischen Metropole am Montag mit. In der Hauptstadt Ankara wurden nach Angaben der dortigen Anwaltskammer zudem 56 Menschen festgenommen.

Die Zusammenstöße zwischen der Polizei und Demonstranten gingen in der Nacht in mehreren Stadtvierteln Istanbuls weiter. Aktivisten berichteten, die Polizei habe auch ein Krankenhaus in der Nähe des Taksim-Platzes mit einem Wasserwerfer angegriffen, nachdem sich Demonstranten dorthin geflüchtet hatten.

Regierungsanhänger greifen ein

Die Demonstranten seien auch von mit Knüppeln und Messern bewaffneten Männern angegriffen worden. Die Polizei habe nicht eingegriffen. Medienberichten zufolge attackierten Anhänger der Regierung in Istanbul auch ein Büro der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP). Dabei hätten sie Slogans für Erdogan gerufen.

Vor tausenden Anhängern hatte der Regierungschef zuvor die Protestbewegung als „Terroristen“ und „Gesindel“ verunglimpft. Ausländischen Medien warf er vor, ein Zerrbild der Türkei zu zeichnen. „Wer das (wahre) Bild der Türkei sehen möchte, (...) hier ist es“, sagte Erdogan bei der Kundgebung seiner AKP. Die gewaltsame Räumung des Gezi-Parks am Samstagabend verteidigte er damit, dass der Platz nicht einer einzelnen Gruppe, sondern allen Bewohnern Istanbuls gehöre. „Die Stadtverwaltung hat den Platz gesäubert, pflanzt jetzt Blumen und begrünt ihn. Die wahren Umweltschützer sind jetzt am Werk.“

Für diesen Montag haben zwei Gewerkschaftsverbände und drei Einzelgewerkschaften landesweit zu Streiks aufgerufen. Statt zu arbeiten sollten die Mitglieder lieber auf die Straßen gehen, berichtete Hürriyet. Der Protest richte sich gegen die brutalen Polizeieinsätze, die es während und nach der Räumung des Gezi-Parkes in der Nacht zum Sonntag gegeben habe.

Taksim-Platz wieder frei für Fußgänger

Der Hamburger Filmregisseur Fatih Akin („Gegen die Wand“) rief den türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül in einem [1][offenen Brief] auf, die Gewalt in seinem Land zu beenden. „Ich appelliere an Ihr Gewissen: Stoppen Sie diesen Irrsinn!“, heißt es in dem auf Deutsch und Türksich verfassten Schreiben.

Am Montagmorgen war der zentrale Taksim-Platz wieder für Fußgänger freigegeben worden. Auf dem für den Verkehr weiterhin gesperrten Platz und an den Zugangsstraßen waren nach Augenzeugenberichten zahlreiche Polizisten versammelt.

1 Jan 1970

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[1] http://www.mopo.de/nachrichten/brandbrief-an-staatspraesident-guel-hamburger-star-regisseur-fatih-akin---stoppen-sie-diesen-irrsinn--,5067140,23369604.html

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