taz.de -- Amazon-Chef erwirbt „Washington Post“: Schnäppchen aus Papier

Als Privatmann kauft der Chef des Internetkonzerns Amazon das US-Traditionsblatt. 250 Millionen Dollar zahlt er dafür. Für die Leser soll sich vorerst nichts ändern.
Bild: Hat mit sinkenden Leserzahlen zu kämpfen: „Washington Post“.

NEW YORK rtr | Die seit Jahren unter rückläufigen Umsätzen leidende Washington Post wird an Amazon.com-Chef Jeff Bezos verkauft. Der Milliardär zahlt für das Traditionsblatt und weitere Zeitungen der Gruppe insgesamt 250 Millionen Dollar, wie das Medienunternehmen am Montagabend überraschend mitteilte. Bezos kauft demnach das 1877 gegründete Blatt als Privatmann und nicht für seinen Handelskonzern.

Der Chef der Washington Post Company, Donald Graham, erklärte [1][in einem offenen Brief], zwar seien die Neuerungen bei dem Blatt erfolgreich gewesen. Doch sie hätten die zurückgehenden Umsätze nicht ausgleichen können. Mit seinem technischen und wirtschaftlichen Verstand und seinem langfristigen Ansatz sei Bezos der bestmögliche neue Besitzer, erklärte der Manager, dessen Familie das Blatt besitzt.

Die Post hat wie viele Zeitungen in der ganzen Welt mit sinkenden Leserzahlen und der Abwanderung von Werbekunden ins Internet zu kämpfen. Erst in der vergangenen Woche wurde bekannt, dass die New York Times den bislang zu ihrem Konzern gehörenden Boston Globe an den Haupteigentümer des Baseball-Teams Boston Red Sox verkauft. Auch in Deutschland ist die Branche im Umbruch: So verkauft Axel Springer die Berliner Morgenpost und das Hamburger Abendblatt an die Funke Mediengruppe aus Essen.

Bezos erklärte, es werde zwar in den kommenden Jahren Neuerungen geben. Die Werte des Blattes blieb aber gleich. „Die Zeitung bleibt ihren Lesern verpflichtet und nicht den Privatinteressen ihrer Besitzer.“ Bezos will sich demnach aus dem Tagesgeschäft heraushalten und sich weiter in Seattle um Amazon kümmern. Das Management soll nicht ausgetauscht werden. Weil das Internet die Branche verwandele, werde man experimentieren müssen, schrieb der 49-Jährige, der Amazon innerhalb von zwei Jahrzehnten zu einem weltweiten Handelskonzern ausgebaut hat.

Eine der angesehensten Zeitungen der USA

Die Post ist eine der angesehensten Zeitungen in den USA. In den 70er Jahren enthüllte sie unter der Herausgeberin Katherine Graham den Watergate-Skandal, der zum Rücktritt von US-Präsident Richard Nixon 1974 führte. Die Zeitung wurde dafür mit einem Pulitzer-Preis geehrt.

Bezos kauft neben der Washington Post weitere Zeitungen das Unternehmens, etwa die ebenfalls im Großraum Washington beheimatete Fairfax County Times oder die spanischsprachige El Tiempo Latino. Bezos hatte in diesem Jahr bereits einen kleineren Betrag in die Nachrichten-Webseite Business Insider investiert.

6 Aug 2013

LINKS

[1] http://www.washingtonpost.com/national/letter-from-donald-graham-on-sale-of-the-post/2013/08/05/3e6642e0-fe0f-11e2-9711-3708310f6f4d_story.html?Post+generic=%3Ftid%3Dsm_twitter_washingtonpost

TAGS

Zeitung
Schwerpunkt Zeitungskrise
Amazon
Washington Post
USA
Medienkrise
Schwerpunkt Zeitungskrise
Washington Post
Washington Post
Washington Post
Washington Post
Washington Post
New York Times
Axel Springer
Axel Springer

ARTIKEL ZUM THEMA

Bezos zu „Washington Post“-Mitarbeitern: „Seid nicht langweilig“

Als Amazon-Gründer Jeff Bezos das US-Traditionsblatt kaufte, war das für viele ein Schock. Jetzt präsentierte er seinen neuen Mitarbeitern erstmals seine Vorstellungen.

Verkauf der „Washington Post“: Skepsis für die Zukunft

Nach dem Schock über den Verkauf an den Amazon-Gründer wird die Kritik lauter. Manche Beobachter vermuten politische Motive hinter dem Kauf.

Kommentar „Washington Post“: Auf dem Weg ins Nichts

Der Verkauf der Zeitung ist ein weiteres Detail von Amerikas Drang zum Abgrund. Die Familie Graham handelt verantwortungslos.

Amazon-Chef Jeff Bezos: Ein Kapitalist, der auf Gewinne pfeift

Expansion statt Profit: Der Käufer der „Washington Post“ ist bekannt für ungewöhnliche Praktiken. Gewerkschafter können ihn gar nicht leiden.

Kommentar Verkauf „Washington Post“: Eine neue Ära beginnt

Die „Post“ steht für investigativen Journalismus. Durch ihren Verkauf ist die vierte Gewalt in den USA gefährdet. Doch es gibt Hoffnung.

„Boston Globe“ wird verkauft: Traditionsblatt zum Sparpreis

Die „New York Times“ verkauft den „Boston Globe“ nach 20 Jahren und konzentriert sich auf ihr Kerngeschäft. Der Erlös ist nicht mal ein Zehntel des ursprünglichen Kaufpreises.

Konzernumbau geht weiter: Springer verkauft französische Titel

Auch in Frankreich verkauft Springer Frauen-, Koch- und TV-Zeitschriften. Friede Springer verteidigt den Verkauf deuscher Titel. Man müsse dem Branchentrend folgen.

Axel Springer AG verkauft Zeitungen: Journalismus? Nicht mit uns

Bei der Axel Springer AG gibt es keine Sentimentalitäten: Sie verkauft große Teile ihres Gedruckten. Das ist eine Warnung für den Rest der Branche.