taz.de -- Option Rot-Rot-Grün: Fern, wolkig, aber irgendwie da

Die Linkspartei ist der Lucky Loser der Wahl. Nur wie Gysi & Co aus der politischen Isolationshaft herauskommen wollen, wissen sie nicht so genau.
Bild: Einen fast genau gleichen Satz haben sie schon formuliert: Gregor Gysi und Sigmar Gabriel

BERLIN taz | Gregor Gysi sieht müde aus, aber die Welt ist rosarot. „Mit dieser historischen Wahl ist Deutschland in der europäischen Normalität angekommen“, sagt er. Er sitzt in der Kulturbrauerei in Berlin und liest vom Blatt ab. Das ist ein Zeichen, dass er es ernst meint. Mit dem Erfolg der Linkspartei hat sich im deutschen Parlament eine Partei links der SPD etabliert. Endlich. Das ist Gysis Mission, seit 1990.

Allerdings: Zur Normalität würde gehören, dass die Linkspartei auch regieren kann. Zumindest als Möglichkeit. Und danach sieht es wirklich nicht aus.

„Wir wollen mit SPD und Grünen reden“, sagt Gysi, und Parteichef Bernd Riexinger sieht „die Pflicht, in ein ernsthaftes Gespräch einzutreten“. Aber die SPD-Spitze hat immer wieder bekundet, dass sie nicht will. Das gilt. Selbst wenn Sigmar Gabriel wollen würde, könnte sie nicht.

Deshalb redet der Fraktionschef der Linkspartei von der Zukunft. „Ich bin sicher, dass diese Wahl die letzte war, bei der die Türen zugeschlagen wurden.“ Also Rot-Rot-Grün irgendwann. 2017. Aber klang das nicht nach der Wahl 2009 schon mal genauso?

Am Ende gab es nur noch ihn

Die Linkspartei ist der Lucky Loser dieser Wahl. Im Vergleich zu 2009 ein Verlierer, im Vergleich zu dem, was erwartet worden war, ein strahlender Sieger. Die neue Fraktion wird genau Ost-West-paritätisch sein. 32 zu 32. „Extrem gerecht“ findet Gysi dies. Er hatte dieser Fraktion mal attestiert, dass dort „Hass“ herrsche. Das ist vergessen, zumindest im Hintergrund verschwunden. Auch weil die Parteispitze, Katja Kipping und Bernd Riexinger, der kampfmüden Basis gegeben hat, was die wollte: einen Waffenstillstand.

Der Wahlerfolg aber geht vor allem auf Gysis Konto. Es ist kurios, dass die Linkspartei offiziell mit acht Kandidaten antrat und es am Ende nur noch ihn gab, klug und gewinnend. Gysi überall. Und von Katja Kipping und Sahra Wagenknecht war nicht mehr viel zu sehen. Ohne Gysi geht nichts in der Partei, schon wieder, noch immer. Nur Angela Merkel war ähnlich überlebensgroß im Wahlkampf wie er.

Die Fraktion ist etwas reformistischer als die vorige, in der die Westler zahlenmäßig noch ein leichtes Übergewicht hatten. Manche Realos sehen eine Gefahr heraufziehen. Wenn die SPD in eine Große Koalition geht, wird es schwieriger mit möglichen Lockerungsübungen der Linkspartei Richtung Rot-Grün.

Denn das verführt zum Fundamentalangriff auf die SPD. Parteichef Riexinger kündigt schon mal „konsequente Oppositionspolitik an“. Ein Ostrealo sieht das anders. Ab jetzt müsse man sich so aufstellen, „dass Rot-Rot-Grün möglich wird“. Aber dafür muss man zumindest das Affektniveau Richtung SPD drosseln – die Verratsvorwürfe mäßigen.

Endloses Rot-rot-grünes-Dramolett

Das nächste Kapitel in dem endlosen Rot-rot-grün-Dramolett spielt nicht in Berlin, sondern in Wiesbaden. Dort könnte Rot-Grün mit der Linkspartei regieren. Janine Wissler ist die Spitzenkandidatin aus Hessen und hat blendende Laune an diesem nieseligen Montagmittag. Und sie hat Grund dazu. Die Linkspartei in Hessen lag in allen Umfragen unter 5 Prozent.

Viele Ostrealos hatten noch eine Niederlage im Westen schon fest eingebucht. Doch die Linkspartei ist nun zum dritten Mal im Landtag. Knapp, aber drin. Und das, so Wissler, obwohl SPD-Mann Schäfer-Gümbel „alles getan hat, uns aus dem Landtag zu drängen“. Wissler ist skeptisch, ob die SPD wenigstens mit der Linkspartei in Hessen reden wird. Aber dass die Linkspartei im Westen tot ist, wie die SPD hoffte, ist eine Illusion.

SPD-Vorstandmitglied Ralf Stegner sagte am Montag, dass dies im Bund die letzte Wahl war, in der die SPD mit Ausschlussansagen angetreten ist. Es ist fast genau der gleiche Satz, den Gysi gebrauchte. Eine Gemeinsamkeit. Wolkig. Fern. Aber immerhin.

24 Sep 2013

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Stefan Reinecke

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