taz.de -- WM 2022 in Katar: Sklaverei für das Fußballfest

Auf den WM-Baustellen kommen etliche Gastarbeiter ums Leben, weil sie unter grausamen Bedingungen schuften müssen. Die Fifa gibt sich besorgt.
Bild: Ungetrübte Fußballfreude in Katar?

Dieses Mal reagierte die Fifa schnell. „Besorgt“ sei man, twitterte der Weltfußballverband. Man werde die Verantwortlichen in Katar umgehend kontaktieren. Die englische Tageszeitung The Guardian hatte über die grausamen Zustände an den Bauprojekten in Katar für die WM 2022 berichtet.

Wie das Blatt mitteilte, sind allein zwischen 4. Juni und 8. August insgesamt 44 nepalesische Gastarbeiter auf den WM-Baustellen wegen Herzversagens oder durch Arbeitsunfälle im Zuge der katastrophalen Bedingungen gestorben. Zwangsarbeit bei Temperaturen von 50 Grad, die Verweigerung von Trinkwasser und die unhygienischen Bedingungen in den überfüllten Unterkünften seien der Grund.

Von den Bedingungen, die grundsätzlich auf katarischen Baustellen herrschen, weiß die Fifa allerdings schon seit Längerem. Etwa 1,2 Millionen Gastarbeiter stellen in Katar 94 Prozent der Arbeitskräfte. Die meisten hausen in Slums rund um die Hauptstadt Doha. Oft werden ihnen die Pässe schon bei der Einreise abgenommen, die Gehälter monatelang nicht ausgezahlt. Für ein Ausreisevisum braucht der Arbeiter den Stempel seines Arbeitgebers.

Nicholas McGeehan von Human Rights Watch schätzt, dass tausende Arbeiter in Katar festsitzen. Und er ergänzt: „Der nepalesische Botschaft hat Katar kürzlich als das größte Open-Air-Gefängnis der Welt bezeichnet.“ Wer ein Visum in Katar will, braucht einen inländischen Sponsor. „Der Arbeiter ist damit völlig an seinen Arbeitgeber gebunden. Er kann ihn nicht verlassen“, erklärt McGeehan gegenüber dem sonntag – das Tablet-Magazin. Eine verbreitete Praxis ist es, die Gastarbeiter weiterzugeben, ohne ihre Einverständnis einzuholen.

Der schlafende Tod

Gefürchtet unter den Arbeitern ist der „schlafende Tod“, wie das Herz-Kreislauf-Versagen genannt wird, das viele nachts nach langen Stunden in der Hitze mit wenig Wasser ereilt. 100 Nepalesen sind 2012 so ums Leben gekommen, 22 starben bei Arbeitsunfällen, 13 begingen Selbstmord. Ähnliche Zahlen gibt es aus Indien, Bangladesch und Sri Lanka. Mehr als 1.000 Arbeiter seien zudem letztes Jahr auf den Baustellen durch Stürze verletzt worden, teilte die Hamad Medizinische Gesellschaft mit.

Der internationale Gewerkschaftsbund (ITUC) hat die Fifa bereits kurz nach der umstrittenen Vergabe der WM 2022 darauf hingewiesen, dass Katar „ein Sklavenstaat des 21. Jahrhunderts“ sei. Und im vergangenen Juli machte Sharon Burrow, die Generalsekretärin des ITUC, ihre Sorge öffentlich: „Wir befürchten, dass bis 2022 mehr Arbeiter umgekommen sein werden, als Spieler auf dem Platz stehen.“ An der WM 2022 werden 736 Fußballer teilnehmen. Die Fifa reagierte damals nicht auf diese Stellungnahmen.

Im November hatte sich die Fifa mit Gewerkschaftsvertretern und Menschenrechtlern getroffen. Seitdem erhält jeder, der zu dem Thema vorstellig wird, dasselbe schriftliche Statement. Man sehe die WM im Nahen Osten als großartige Möglichkeit für die Region, die Kraft des Fußballs als Plattform für positiven sozialen Wandel zu begreifen. „Fifa hält den Respekt für Menschenrechte und die Anwendung internationaler Normen als Prinzip und Teil aller unserer Aktivitäten hoch“, heißt es. Man werde die negativen Folgen bis 2022 weiter reduzieren.

Die ITUC berichtet, das WM-Organisationskomitee habe lediglich im vergangenen Oktober eine Gastarbeiter-Charta herausgebraucht, wonach die Verantwortung für die Arbeiter bei den Bauunternehmen liege. Der Schwarze Peter wird also an die Unternehmen weitergereicht.

Auch in Brasilien wurden Missstände in Vorbereitung auf die WM 2014 offen gelegt. Wie die englische Rundfunkanstalt BBC berichtete, mussten auf dem auszubauenden Flughafen in São Paulo 111 Menschen unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten. Mit Gehaltsversprechungen, die dann nicht eingehalten worden waren, wurden sie aus dem Norden des Landes nach São Paulo gelockt und hausten dort in notdürftigen Unterkünften.

27 Sep 2013

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Seidel

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