taz.de -- Zombie-Endlager: Ein Plan B für Gorleben
Will Umweltminister Peter Altmaier den Salzstock doch als mögliches Endlager im Auge behalten? Oder warum lässt er nun klagen?
GÖTTINGEN/BERLIN taz | Das Bundesumweltministerium sät Zweifel an dem von ihm selbst beschworenen Neuanfang bei der Endlagersuche. Das von Peter Altmaier (CDU) geführte Ministerium hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) angewiesen, die Aufhebung des Rahmenbetriebsplans für die Untersuchung des Salzstocks Gorleben durch das Land Niedersachsen gerichtlich anzufechten. Atomkraftgegner und Grüne sehen in dem Schritt einen massiven Vertrauensbruch.
Der Rahmenbetriebsplan für Gorleben stammt aus dem Jahr 1983. Er regelt den Umfang der untertägigen Erkundung und legt die Erkundungsbereiche fest. Der Plan musste alle zehn Jahre verlängert werden, zuletzt geschah das 2010 mit der Aufhebung des zehnjährigen Moratoriums.
Dabei gab der Plan schon lange nicht mehr die aktuelle Rechtslage wieder. So sind seit 1990 auch nach dem Bergrecht – Grundlage der Untersuchung in Gorleben – eine Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen.
Auch das BfS hatte diese Mängel gesehen und 2010 die Aufstellung eines neuen Rahmenbetriebsplans angeregt. Vergebens – die Pro-Gorleben-Lobby im Bundesumweltministerium um den einflussreichen Abteilungsleiter und Atomlobbyisten Gerald Hennenhöfer setzte sich mit der Verlängerung des alten Plans durch.
Eine neue Lage, so schien es bisher, entstand in diesem Sommer mit der Verabschiedung des Endlagersuchgesetzes. Darin heißt es: „Die bergmännische Erkundung des Salzstocks Gorleben wird mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes beendet.“
In der Folge erklärte das Verwaltungsgericht Lüneburg, vor dem Umweltschützer und Grundbesitzer aus dem Wendland seit Jahren gegen die Untersuchung des Salzstocks Gorleben klagen, den Rahmenbetriebsplan für gegenstandslos. Und im September wies Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) die Bergbehörden des Bundeslandes an, den alten Plan gänzlich aufzuheben.
Das Ministerium hält sich zurück
Indes setzt zumindest die Hennenhöfer-Fraktion im BMU offenbar weiter darauf, dass Gorleben bei der Endlagersuche im Spiel bleibt. „Wenn die Klage Erfolg hat, bleibt der alte Rahmenbetriebsplan bis 2020 gültig, und man kann dann bequem auf den zurückkommen“, interpretiert ein Strahlenschutzexperte des Bundes den Vorstoß gegenüber der taz.
Das Bundesumweltministerium selbst verbreitete trotz Bitte um Aufklärung lediglich eine dünne Stellungnahme, wonach die Klage der „Rechts- und Fristwahrung“ diene. Man habe ein „hohes Interesse, die damit zusammenhängenden Fragen außerhalb des Rechtsweges zu klären, und wird in diesem Sinne in den nächsten Wochen mit allen Beteiligten Gespräche führen“.
Der niedersächsische Minister Wenzel zeigt sich über die Klageankündigung äußerst irritiert. Ein Neubeginn bei der Endlagersuche erfordere ein Höchstmaß an Zusammenarbeit und Vertrauen in einen transparenten und ergebnisoffenen Prozess, sagte er: „Es wäre fatal, wenn sich der Bund jetzt einen Plan B neben dem Standortauswahlgesetz offenhalten will.“
Auch Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg urteilt: „Wenn da noch ein Funken Glaubwürdigkeit war, dass die Endlagersuche neu gestartet würde, dann wurde dieser jetzt erstickt.“
23 Oct 2013
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Niedersachsen hatte den Plan für die Erkundung von Gorleben aufgehoben und wurde vom Bund dafür verklagt. Jetzt wird die Klage zurückgezogen.
Niedersachsens Anti-Atom-Initiativen vermissen Fortschritte bei der Atomaufsicht und bei der Endlagersuche.
Eine Endlagersuchkommission soll „ergebnisoffen“ nach einer Lagerstätte für Atommüll suchen. Aber die Idee „Gorleben“ ist nicht totzukriegen.
Energie, Verkehr, Familie und Geschlechter, Migration, Europa. Am Freitag beginnen Union und SPD Sondierungen. Wo wird welche Partei einknicken?
In einem von Klaus Töpfer herausgegegeben Buch plädiert der Regierungsberater Claus Leggewie für eine „Zukunftskammer“ parallel zum Bundestag.
Wie altes Fett entsorgt zu werden hat, ist geregelt. Wie mit Atommüll zu verfahren ist, bleibt das große Rätsel. Also macht man einfach weiter.
Erstmals haben Aktivisten eine Bestandaufnahme zu allen bekannten radioaktiven Abfällen vorgelegt. Der Bericht umfasst 92 Standorte.
Die CDU-Politikerin Ursula Heinen-Esser soll die Kommission zur Suche nach einem Endlager leiten. Es gibt Lob für diese Entscheidung.
Das AKW Hamm wurde einst als Zukunft der Atomtechnik gepriesen. Jetzt steigen die Kosten für den Rückbau. Bis 2080 wird der Reaktor die Staatskasse belasten.
Die Parteien halten am Zeitplan für die Besetzung der Endlager-Kommission fest. Aber die deutschen Umweltverbänder wollen noch nicht.
Die Bundestagsparteien dementieren einen Bericht, dass der ehemalige Wirtschaftsminister die Endlager-Kommission leiten soll.
Für die wichtige Endlager-Kommission nominiert der DGB ausgerechnet die Bergbau-Gewerkschaft IG BCE. Die war bisher großer Fan von Gorleben.
Kurz vor der Verabschiedung des Endlagersuchgesetzes äußert der baden-württembergische Umweltminister Kritik. Die Suche müsse auf einer „weißen Landkarte“ stattfinden.
Auf den letzten Drücker verabschiedet der Bundestag das Endlager-Gesetz. Die Besetzung der entscheidenden Kommission wurde aber vertagt.