taz.de -- Schlechtes Zeugnis für Rot-Grün: Enttäuschte Initiativen

Niedersachsens Anti-Atom-Initiativen vermissen Fortschritte bei der Atomaufsicht und bei der Endlagersuche.
Bild: In Gorleben bleibt alles beim Alten - fürchten die Anti-Atom Initiativen

GÖTTINGEN taz | Am Leibnizufer, nahe am niedersächsischen Umweltministerium, stand vor rotem Hintergrund der „Super-Gaul“. Mit dem mehr als fünf Meter hohen Pferdegerippe mit Gasmaske – eine Anspielung auf das Ross im Landeswappen –, dem Transparent „Niedersachsen bleibt Super-GAULand“ und einem geflickten Riesen-AKW wollten Aktivisten am Montag demonstrieren, dass ein grundlegender Wechsel an der Atompolitik auch ein Jahr nach der Landtagswahl noch auf sich warten lässt.

„Das bittere Resümee ist, dass sich nichts Substanzielles verändert hat“, erklärte Peter Dickel von der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad bei der Übergabe eines „Zwischenzeugnisses“ an den anwesenden Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne). Anders als seine Amtsvorgänger Hans-Heinrich Sander und Stefan Birkner (beide FDP) habe Wenzel zwar eine „profunde Kenntnis“ der Probleme und suche das Gespräch, sekundierte Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. „Am Ende aber ist entscheidend, wie gehandelt wird, da sind wir enttäuscht.“

Beispiel Atomaufsicht: Weil sich SPD und Grüne im Bund 2011 mit der Stilllegung von acht AKWs begnügt hätten, komme der Atomaufsicht der Länder jetzt eigentlich die Aufgabe zu, Konsequenzen aus Fukushima zu ziehen, meinen die Initiativen. Tatsächlich jedoch sei auch im rot-grün regierten Niedersachsen von einem Neustart bei der Überwachung oder gar neuen Sicherheitsanforderungen für die noch laufenden Reaktoren in Grohnde und Lingen nichts zu bemerken.

Beispiel Endlagersuche: Hier halten die AKW-Gegner Wenzel und Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zugute, eine Expertenkommission durchgesetzt und das Suchverfahren so „mit einem Hauch von Beteiligung garniert“ zu haben. Die Kernforderung, Gorleben wegen der geologischen Probleme fallen zu lassen, sei jedoch aufgegeben worden. Auch sei Gorleben immer noch Zielort für Atommülltransporte ins Fasslager und biete mit der Pilotkonditionierungsanlage eine nukleare Infrastruktur, die nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik entspreche.

Schlupfloch im Atomgesetz

Das novellierte Atomgesetz enthalte zudem ein Schlupfloch, das allen offiziellen Beteuerungen zum Trotz die Einlagerung von fünf weiteren Castorbehältern aus La Hague ermögliche. „Jetzt erwarten wir von Rot-Grün in Hannover mehr als gutes Zuhören und Absichtsbekundungen“, sagte Ehmke. „Es muss gehandelt werden.“

In der vergangenen Woche hatte bereits der BUND zu wenig Entschlossenheit und mangelndes Tempo der Landesregierung beim Umweltschutz bemängelt. Fortschritten in Landwirtschaftspolitik und Moorschutz stünden Versäumnisse und Zögern in vielen andern Bereichen gegenüber, etwa beim Natur, Gewässer und Klimaschutz. So unterstütze das Land weiterhin die Planung eines neuen Kohlekraftwerks bei Stade. Und es gebe kaum Verbesserungen bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen.

20 Jan 2014

AUTOREN

Reimar Paul

TAGS

Anti-Atom-Bewegung
Niedersachsen
Gorleben
Anti-Atom-Initiativen
Gorleben
Schwerpunkt Atomkraft
Atomkraftwerk
Schwerpunkt Atomkraft
Atommüll
Schwerpunkt Atomkraft
Umweltministerium
Umweltpolitik
Gorleben

ARTIKEL ZUM THEMA

Nutzlose Atommüll-Verpackungsanlage: Die stille Fabrik im Gorlebener Wald

400 Millionen Euro hat eine Verpackungsanlage für Atommüll nahe Gorleben gekostet. Die sinnlose Fabrik läuft für fünf Millionen jährlich im Stand-by.

Sicherheitsbedenken in Niedersachsen: AKW Grohnde weiter außer Betrieb

Nur unter Protest sollen Techniker Schweißnähte notdürftig geflickt haben. Niedersachsens Umweltminister Wenzel schaltet die Staatsanwaltschaft ein.

Jede Menge Probleme beim E.ON-Meiler: AKW Grohnde bröselt weiter

Neun Federbrüche im Reaktorkern, der Ersatzgenerator ist rostig: AKW-Gegner fordern das endgültige Aus für das Atomkraftwerk.

Atomendlager Schacht Konrad: Immer teurer, immer später

Die Inbetriebnahme des einzigen Atomendlagers in Deutschland wird kostspieliger und verzögert sich. Die Bundesregierung weiß nicht mal, bis wann.

Suchkommission für Atom-Endlager: Allzweckwaffe Töpfer soll es richten

Damit die Suche nach einem Endlager endlich losgehen kann, ist die Bundesumweltministerin bereit, das Gesetz noch einmal umzuschreiben.

Untersuchungen im AKW Brunsbüttel: 18 rostige Atommüll-Fässer gefunden

Der Verdacht ist bestätigt: Im AKW Brunsbüttel lagern mindestens 18 kaputte Fässer mit Atommüll. Hunderte weitere Behälter werden noch untersucht.

Gerald Hennenhöfer muss gehen: Aus für den Atommann

Der umstrittene Abteilungsleiter für Atomsicherheit, Gerald Hennenhöfer, muss das Umweltministerium verlassen. Ministerin Barbara Hendricks hat ihn entlassen.

Debatte Neue Umweltministerin: Mit oder ohne Energie

Wenn Barbara Hendricks will, kann sie in ihrem neuen Ministerium endlich wieder Umweltpolitik machen. Sonst kommt diese halt weiter aus Brüssel.

Zombie-Endlager: Ein Plan B für Gorleben

Will Umweltminister Peter Altmaier den Salzstock doch als mögliches Endlager im Auge behalten? Oder warum lässt er nun klagen?