taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Abkühlbecken für Verstrahlte

Matthias Matussek verlässt den „Spiegel“ – er geht zur „Welt“. Und der Stan Laurel des deutschen TVs hat nun eine eigene Sendung. Champagner!
Bild: Keine Freunde fürs Leben: Matussek (l.) bei Krömers (r.) TV-Show.

Hallo, taz-Medienredaktion! Wie konnte das geschehen? taz2, Deutschlands bedeutendste Zeitung in der Zeitung, wird zehn Jahre alt, und ARD-Chef Volker Herres will keinen „Brennpunkt“ machen?! Wenn ein Ruck durch die Republik geht, wenn was von oben kommt oder von unten, wenn es kalt wird oder sehr, sehr heiß, wenn zu viel Geld ausgegeben wird oder ein Sack Reis umfällt, dann macht die ARD einen „Brennpunkt“. Eine tolle, donnergleiche Sondersendung im Anschluss an die Tagesschau.

taz2 ist heiß. taz2 kommt von ganz, ganz unten, um sich von oben zu ergießen. taz2 ist ein Ruckmedium, getrieben vom kalten Instinkt seiner MacherInnen. taz2 gibt zu viel Geld aus. taz ist der Sack Reis des Medienbetriebs, der jeden Tag umfällt, um erhobenen Hauptes wieder aufzustehen – und Volker Herres will keine Sondersendung machen? „Wer keine Sendung zum Umstand macht, dass die Kanzlerin abgehört wird, macht auch keine, wenn die taz was zu feiern hat“, könnte Herres gesagt haben.

„Wir müssen unsere Kapazitäten gut einteilen. Bald ist wieder Winter, dann kommt wieder Schnee. Da müssen wir alle Kräfte beieinanderhaben. Es wäre schlimm, wenn unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich an einem Thema wie Abhörskandal oder taz2 verausgabt und nicht mehr die Kraft haben zu zeigen, wie Autoreifen auf glatter Straße durchdrehen.“

Aber auch die Sorge um die Einschaltquote soll den ARD-Obersten zumindest bei der Absage an einen Abhör-Brennpunkt getrieben haben. Anders, als wenn die Natur sich nicht an die Verhaltensvorgaben der ARD halten will, sind Brennpunkte mit politischem Inhalt nicht sehr quotenträchtig. Was ja schön zu wissen ist, dass beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen politisch relevante Inhalte nicht nur als unwichtiger, sondern als „scheißegal“ eingestuft werden.

Jubelchöre und La-Ola-Wellen

Alles andere als „scheißegal“, sondern ein paar Flaschen Schampus wert ist der Umstand, dass Matthias Matussek den Spiegel verlässt. Du erinnerst dich, das ist der Mann, den Kurt Krömer gerichtlich abgesegnet einen „Puffgänger“ nennen darf. Ich aber eventuell nicht. Was sich nächste Woche entscheidet. Jubelchöre und La-Ola-Wellen sollen das Haus erfüllt haben, so erleichtert ist man, den Mann, vor dessen emotionalen Ausbrüchen niemand sicher war, loszuwerden.

Matussek geht zur Welt, womit – Henryk M. Broder ist schon da – eine weitere Fliese gelegt wurde, das Blatt als Abkühlbecken für verstrahlte Spiegel-Redakteure auszubauen. Und während die Korken knallen, frage ich mich, ob Wolfgang Büchner, der schon vor seinem Amtsantritt geschmähte neue Chefredakteur, ein gerissener Fuchs ist?

Ob er einen Deal mit Springer eingefädelt hat: Wir nehmen Blome, ihr bekommt Matussek. Vielleicht wäre der Aufstand wegen Blome zahmer ausgefallen, wenn man gewusst hätte, dass man den Handelsreisenden der katholischen Kirche, als der sich Matussek aktuell verkleidet, bald los ist? Nein? Schade. Na ja. Ist ja auch keinen „Brennpunkt“ wert.

Aber wer, Freunde, braucht schon die ARD, wenn er das ZDF und Jan Böhmermann hat? Jan Böhmermann, das Schneewittchen unter den Moderatoren, so blass der Teint, so zart die Finger, kommt am Reformationsdonnerstag und reformiert das Fernsehen. Oll, alt und beige war gestern. Jan Böhmermann, der Stan Laurel der deutschen Fernsehunterhaltung, hat nun endlich seine eigene Sendung auf ZDFneo. Und ich guck sie mir an. Und wenn die beschissen sein sollte, oll, alt und nach Zeugen Jehovas riechend, dann wähle ich das nächste Mal FAZ. Den Nesquik angerührt, die Füße auf der Fußbank, gebe ich zurück nach Berlin!

30 Oct 2013

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Silke Burmester

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