taz.de -- Journalisten und Netzsicherheit: DJV warnt vor Google
Die NSA hat die Internetfirmen Google und Yahoo ausgespäht. Für Journalisten stellt sich die Frage, was das für ihre Recherchearbeit bedeutet.
BERLIN taz | Wenn ein Journalist ein neues Thema angeht, beginnt seine Recherche oft bei Internetsuchdiensten. In vielen Fällen „googelt“ er oder sie ein Schlagwort, einen Namen oder eine Firmenbezeichnung. Erste Kontakte zu Informanten oder Interviewpartnern werden per Telefon oder aber durch E-Mails geknüpft, die ebenfalls oft über den Internetanbieter Google oder über Yahoo laufen.
Seit am Mittwoch bekannt wurde, dass der US-Geheimdienst NSA mithilfe des Programms „Muscular“ heimlich die Rechenzentren von Google und Yahoo infiltriert und in 30 Tagen über 180 Millionen Datensätze gelesen hat, werden die Dienste der beiden Konzerne mit Vorsicht genossen. Der Deutsche Journalistenverband [1][(DJV) rät Berichterstattern in einer Pressemitteilung], sich nach Alternativen umzusehen.
„Es gibt durchaus andere Suchmaschinen und Anbieter von E-Mail-Diensten, die nach unserem Kenntnisstand als sicher gelten“, heißt es darin. Welche Anbieter das sind, wollte der Verband auf Nachfrage nicht mitteilen.
Hendrik Zörner, Pressesprecher des DJV, rät jedoch dazu, auf Dienste mit Servern in Europa zu setzen. Ob die nicht auch ausspioniert werden, kann niemand mit Bestimmtheit sagen. „Es gibt natürlich nur eine relative Sicherheit“, sagt Zörner, „aber der Zugriff auf Server von Anbietern, die in den USA sitzen, ist für die NSA insgesamt sicherer und leichter.“
Im Wesentlichen teilt Markus Beckedahl, Vorsitzender des [2][Vereins Digitale Gesellschaft e. V]., die Einschätzung des Journalistenverbandes. Auch er schätzt bei europäischen Diensten das Risiko, bespitzelt zu werden, insgesamt geringer ein. Als Alternative zu den Gratis-E-Mail-Angeboten der großen Konzerne nennt er kostenpflichtige Dienste wie Posteo. Nach Beckedahls Einschätzung sind sie „datenschutzfreundlicher.“
Verschlüsselung allein reicht nicht
Bei Posteo werden sowohl die Inhalte der Mails als auch die Festplatten im Rechenzentrum verschlüsselt. Durch eine Ausnahmeregelung im Telekommunikationsgesetz können sich Nutzer völlig anonym anmelden.
Wobei Verschlüsselung von Inhalten auch bei Google möglich ist. „Ich bin oft irritiert, wie wenige Journalisten ihre Mails verschlüsseln“, gibt Beckedahl zu Protokoll. Allein: Auf diese Weise könnten nur Inhalte verborgen werden, aber nicht die Kommunikationswege. Insgesamt bedrohe der Datenskandal die Pressefreiheit, ebenso wie die Vorratsdatenspeicherung.
Auch der Vorsitzende des DJV sieht die Grundsätze des freien Berichterstattung verletzt. „Die Recherchen von Journalistinnen und Journalisten sind genauso vertraulich wie die Kontaktdaten der Informanten und die Kommunikation mit ihnen“, heißt es in der Pressemitteilung. Möglicherweise wird es in Zukunft mehr Vier-Augen-Gespräche zwischen Journalisten und Informanten geben.
1 Nov 2013
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