taz.de -- Jobwechsel von Politikern: Auch Berlin hat seinen Pofalla

Schon seit 15 Monaten prüft der Innensenator, ob der Jobwechsel des SPD-Staatssekretärs Freise zur Pin AG ok war. Grüne werfen Henkel Verschleppung vor.
Bild: Um seinen Job geht es: Ulrich Freise, hier noch als Staatssekretär für Inneres in Berlin.

Umstrittene Wechsel von Regierungsmitgliedern auf die Vorstandsposten von Wirtschaftsunternehmen beschäftigen derzeit nicht nur die Bundespolitik. Während es dort Kritik am geplanten Einstieg des früheren Kanzleramtsministers Ronald Pofalla (CDU) bei der Deutschen Bahn gibt, sorgt auf Landesebene die Tätigkeit von Ex-Staatssekretär Ulrich Freise für den Briefzusteller Pin AG für Streit.

Freise, neun Jahre Staatssekretär des langjährigen Innensenators Ehrhart Körting (beide SPD), war rund neun Monate nach Ende des rot-roten Senats zum 1. September 2012 zum Briefzusteller Pin AG gewechselt. Das hatte für manche ein Geschmäckle. Denn die Pin AG verteilt all das, was das Land Berlin verschickt: von der Wahlbenachrichtigung bis zur Mitteilung von der Bücherei. Den Auftrag dafür hatte das der Innenverwaltung zugeordnete Landesverwaltungsamt erteilt, zu Freises Zeiten zuletzt 2010.

Körting-Nachfolger Frank Henkel (CDU) kündigte damals eine Prüfung an, ob der Wechsel beamtenrechtlich in Ordnung sei. Die aber ist immer noch nicht abgeschlossen. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Dirk Behrendt, wirft Henkel vor, die Sache zu verschleppen – seine Geduld mit dem Senator sei zu Ende. Zur Klärung vermochte die Innenverwaltung nichts beizutragen. „Das ist ein laufendes Verfahren, deshalb kann ich dazu gar nichts sagen“, so Behördensprecher Stefan Sukale zur taz.

Für Behrendt indes ist die Lage klar: „Hier wird ein verdienter Genosse geschont. Von Henkel. Mit Flüchtlingen springt er bekanntlich anders um“, twitterte er am Freitag. Für ihn entstehe der Eindruck, als werde Freise aus Koalitionsräson vom CDU-Senator mit Samthandschuhen angefasst, hatte Behrendt schon vor Monaten geäußert.

Die Grünen fordern seit längerem eine Pause zwischen Ausscheiden aus der Regierung und erstem Unternehmensjob. Das soll dem Anschein entgegen treten, ein Noch-Regierungsmitglied handle bereits im Sinne seines künftigen Arbeitsgebers. Mit diesem Vorwurf leben mussten unter anderem Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) wegen seiner Tätigkeit für den russischen Gas-Lieferanten Gazprom und zuletzt der bei Daimler eingestiegene Ex-Staatsminister Eckart von Klaeden (CDU).

In Berlin geriet der damalige Finanz-Staatssekretär Frank Bielka (SPD) in die Kritik, als er 2003 zum landeseigenen Wohnungsbauunternehmens Degewo wechselte. Dort hatte er für das Land dem Aufsichtsrat vorgesessen, als das Gremium höhere Vorstandsgehälter beschloss.

Die Pin AG wies bei Freises Jobantritt 2012 jegliche Art von unlauterer Verbandelung zurück. „Der Auftrag des Landes Berlin wird ausschließlich per Ausschreibung vergeben“, hieß es von einer Unternehmensprecherin. Nach damaligen Pin-Angaben entfielen 30 Prozent ihres Sendungsvolumens auf die Post der Berliner Verwaltung.

Nachrichten SEITE 2

4 Jan 2014

AUTOREN

Stefan Alberti

TAGS

Wirtschaft
Pofalla
Ronald Pofalla
Schwerpunkt Angela Merkel
Lobbyismus
Deutsche Bahn
Satire
Deutsche Bahn
Ronald Pofalla

ARTIKEL ZUM THEMA

Karenzzeiten vor Job in der Wirtschaft: GroKo will Frist für den Wechsel

Die Große Koalition vollzieht eine Kehrtwende: Eine gesetzliche Karenzzeit soll den raschen Wechsel von Regierenden unterbinden.

Der sonntaz-Streit: Sind Politiker Lobbyisten?

Politiker werden von Interessensgruppen beeinflusst. Da ist der Weg dorthin nicht weit, wie der Fall Pofalla zeigt. In manchen Ländern ist das normal.

Der Ex-Kanzleramtschef und die Bahn: Widerstand gegen Pofalla wächst

Die Empörung über den möglichen Wechsel Pofallas zur Bahn ist weiterhin groß, auch in der Parteibasis. SPD und Grüne fordern eine Pause für wechselwillige Politiker.

Von der Politik in die Wirtschaft: Merkel riet Pofalla zur Anstandspause

Von den Wechselabsichten ihres Ex-Kanzleramtschefs weiß die Bundeskanzlerin schon seit Ende November. Für den Sprung von Amt zu Amt empfahl sie ihm eine Karenzzeit.

Ronald Pofalla und die Bahn: Aufsichtsratschef weiß von nichts

Nach dem Bekanntwerden der Pläne des CDU-Politikers Ronald Pofalla äußerst sich der Bahn-Aufsichtsratschef Felcht. Kritik kommt nicht nur aus der Opposition.

Kommentar Pofallas Wechsel zur Bahn: Ein exquisit dotiertes Dankeschön

Der nächste Karriereschritt des Ex-Kanzleramtschefs ist nicht nur eine Frage des Anstandes. Es fehlt eine Regelung für wechselwillige Spitzenpolitiker.

„Postillon“-Bericht über Pofalla: Satireseite verbreitet Wahrheiten

Mit der Meldung über den Wechsel Pofallas zur Bahn gelang dem „Postillon“ ein Scoop. Denn im Gegensatz zu sonst war die Nachricht keine Satire.

Kommentar Politik und Lobbyismus: Kein Prellbock für Pofalla

Meine Freundin, die Deutsche Bahn: Der Wechsel des ehemaligen Kanzleramtschefs Ronald Pofalla zur Deutschen Bahn hat ein Geschmäckle.

Pofallas möglicher Wechsel zur DB: Vom Kanzleramt zum Lobbyisten

Der Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla ist als künftiger Bahn-Manager im Gespräch. So ein Seitenwechsel erregt die Gemüter. Viele fordern eine Karenzzeit.