taz.de -- Der sonntaz-Streit: Sind Politiker Lobbyisten?

Politiker werden von Interessensgruppen beeinflusst. Da ist der Weg dorthin nicht weit, wie der Fall Pofalla zeigt. In manchen Ländern ist das normal.
Bild: Eine selbstverständliche Liaison? Bahnchef Rüdiger Grube (links) und der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla.

Der mögliche Wechsel des früheren Kanzleramtministers Ronald Pofalla (CDU) in den Vorstand der Deutschen Bahn hat die Debatte über Lobbyismus neu entfacht - auch wenn noch unklar ist, ob es tatsächlich dazu kommt.

Pofalla, der sich noch als CDU-Generalsekretär für Karenzzeiten aussprach, stünde damit in einer Reihe mit Merkelgetreuen wie Eckart von Klaeden. Dieser ist seit Herbst Cheflobbyist von Daimler, erst im November hatte er seinen Sitz im CDU-Parteipräsidium niedergelegt, um Spekulationen über einen Interessenkonflikt entgegentreten. Oder Hildegard Müller, die seit 2008 Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist, nachdem sie drei Jahre lang Staatsministerin im Bundeskanzleramt war.

Andere prominente Fälle sind Exkanzler Gerhard Schröder, der 2005 kurz nach seinem Rücktritt zum russischen Gazprom-Konzern wechselte, und der ehemalige Grünen-Spitzenpolitiker Joschka Fischer, der eine Beratungsfirma gründete. Wie selbstverständlich dürfen Politiker in die Wirtschaft wechseln?

Schon viel wurde über das Thema gestritten und polemisiert. So fordern Grüne, Linkspartei und Organisationen wie Lobbycontrol seit langem Karenzzeiten für Spitzenpolitiker, die in die Wirtschaft wechseln. Doch bei der schwarz-gelben Bundesregierung stießen entsprechende Forderungen auf taube Ohren. Dieser Vorstoß komme einem Berufsverbot für ExpolitikerInnen gleich, so die Antwort der FDP. Bemerkenswert selten hatten die hitzigen Debatten über Lobbyismus Konsequenzen. Auch im Koalitionsvertrag von Union und SPD findet sich wieder nur eine allgemeine Absichtsbekundung: Man strebe für wechselwillige Spitzenpolitiker eine „angemessene“ Regelung an, heißt es da.

De facto sind die Regelungen in Deutschland auch im Vergleich zu anderen Ländern lax. Anders als etwa in den USA gibt es bis heute etwa kein verbindliches Lobbyregister, das öffentlich macht, wer in Berlin im Auftrag welcher Interessensgruppe unterwegs ist. Gleichzeitig wird der Seitenwechsel von Politikern in die Wirtschaft - und umgekehrt, von Wirtschaftsvertretern in die Politik - in der US-amerikanischen Gesellschaft als viel normaler angesehen.

Sind Drehtürkarrieren immer noch skandalös? Lässt sich der Einflussnahme von Interessensgruppen gelegentlich auch etwas abgewinnen? Oder müssten die Gesetze und Regelungen viel strikter sein – weil jede zu große Durchlässigkeit letztlich die Demokratie gefährdet? Oder ist Lobbyismus, verstanden als Interessensvertretung, ein Bestandteil von Demokratie?

Eine Studie von Lobbycontrol attestierte im vergangenen Sommer: Lobbyismus greift immer mehr um sich. Das suggerieren einem heute auch beliebte Fernsehformate wie die dänische Polit-Serie „Borgen“ oder die US-Serie „House of Cards“. Hier wird Lobbyismus für das Massenpublikum etwas verdaulicher aufbereitet. Bringt das nicht aber mit sich, dass man sich allmählich daran gewöhnt, dass die Wirtschaft die Politik beeinflusst?

Stehen Politiker nicht sowieso längst unter dem Einfluss von Interessensgruppen und Beispiele wie das des ehemaligen Kanzleramtsministers Pofalla zeigen es nur einmal mehr? Sind Politiker Lobbyisten?

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7 Jan 2014

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Lena Kaiser

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