taz.de -- Ein weiterer Mindestlohn: 7,75 Euro fürs Tiereschlachten

Die Tarifpartner einigen sich auf einen Mindestlohn für die Fleischindustrie. Davon profitieren vor allem Beschäftigte mit Werkverträgen.
Bild: Bei der Arbeit: Vier oder fünf Euro in der Stunde dafür sind keine Seltenheit

BERLIN taz | Beschäftigte in der Fleischindustrie haben künftig Anspruch auf einen Mindestlohn. Darauf haben sich die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und der Arbeitgeberverband Nahrung und Genuss (ANG) geeinigt, wie vor wenigen Tagen durchgesickert war. Am Dienstag stellten die Tarifpartner in Berlin die Details der Einigung vor.

Ab dem 1. Juli 2014 sollen alle Arbeitskräfte der Fleischindustrie Anspruch auf einen Stundenlohn von 7,75 Euro haben. Der Betrag, der nicht nach Ost und West differenziert wird, soll in Stufen ansteigen und ab dem 1. Dezember 2016 bei 8,75 Euro liegen.

Damit der Mindestlohn für die ganze Branche verbindlich gilt, muss diese zuerst noch in das Entsendegesetz aufgenommen werden. Die Tarifpartner wollen nun den entsprechenden Antrag beim Bundesarbeitsministerium stellen. Steht die Branche im Gesetz, kann das Ministerium den Mindestlohn für allgemein verbindlich erklären. Es gilt als sicher, das dies passieren wird.

Der Mindestlohn ist nicht für alle der rund 100.000 Beschäftigten der Fleischindustrie von Bedeutung. Sondern vor allem für diejenigen, die sich in Schlachthäusern verdingen. Die NGG schätzt, das dort neben rund 23.000 regulär Beschäftigen rund 15.000 Menschen arbeiten, die einen Werkvertrag haben. Viele von ihnen stammen aus Osteuropa und werden über Subunternehmer für Löhne von 4 oder 5 Euro in der Stunde angeheuert.

Belgien protestierte gegen deutsches Lohndumping

Auch dem Ausland war diese Praxis ein Dorn im Auge. Die belgische Regierung hatte 2013 offiziell bei der EU-Kommission gegen die deutschen Dumpinglöhne protestiert, weil sie die belgische Schlachtindustrie ruinieren würden. In Belgien gilt ein allgemeiner Stundenmindestlohn von 9,10 Euro.

Laut NGG-Vizechef Claus-Harald Güster werden sich nun die Löhne von mehreren Tausend Beschäftigten erhöhen, teilweise gleich um 2 oder 3 Euro. „Es ist allerdings erst der Anfang des Endes vom Lohndumping. Noch nicht alles ist aus der Welt geschafft“, sagte Güster. Mit den Unternehmen müsse man nun dafür sorgen, dass Arbeitskräfte nicht mehr „in Schandunterkünften“ leben. Güster warnte die Unternehmen davor, den Mindestlohn zu umgehen.

Valerie Holsboer, Hauptgeschäftsführerin der ANG, sprach von einem „echten Neubeginn“ für die Branche. Alle neun Landesverbände der ANG trügen den Mindestlohn mit.

14 Jan 2014

AUTOREN

Eva Völpel

TAGS

Schlachthof
Mindestlohn
Fleischindustrie
Schwerpunkt Wahlen in Rumänien
Bulgarien
Lohndumping
Osteuropa
Werkverträge
Mindestlohn
Mindestlohn
Mindestlohn
Mindestlohn
Schlachthof
Werkverträge
Fleischindustrie

ARTIKEL ZUM THEMA

Überzogene Mieten für Werkverträgler: Arbeiter in Bruchbuden

Die Werkarbeiter der Fleischindustrie werden oft von denselben Subunternehmern untergebracht, die sie angeheuert haben. Das rentiert sich.

Debatte Mindestlohn: Da führt kein Weg dran vorbei

Die Lohnuntergrenze von 8,50 Euro muss kommen. Damit werden aber auch ganz neue Grauzonen in der privaten Dienstleistung entstehen.

Ausnahmen vom Mindestlohn: Weniger Geld für zwei Millionen

Die Union fordert Ausnahmen vom Mindestlohn. Die würden nach Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung zwei Millionen Menschen treffen.

Gerangel um den Mindestlohn: Rückenwind für 8,50 Euro

Ein Gutachten von Rechtsexperten des Bundestags stellt klar: Bestimmten Gruppen den Mindestlohn vorzuenthalten, dürfte schwierig werden.

Gutachten des Bundestags: Warnung vor Mindestlohn-Ausnahmen

Die geplanten Ausnahmen beim Mindestlohn für Studenten und Rentern könnten gegen die Verfassung verstoßen. Zu diesem Ergebnis kommt der wissenschaftliche Dienst.

EEG-Umlage für Unternehmen: Stromrabatte dank Lohndumping

Schlachtereien zahlen miese Löhne – und bekommen dafür Rabatt bei der Ökostromumlage. Gewerkschafter finden: „Das ist pervers“.

Lohndrückerei in der Fleischindustrie: Schlachterei tauscht Belegschaft

In Dissen ersetzte eine Großschlachterei zwölf Festangestellte durch billige Werksverträgler – die Betroffenen ziehen gegen die Kündigungen vor Gericht.

Lohndumping in der Fleischindustrie: Arme Fleischer

Kontrollen in der deutschen Fleischindustrie ergeben ein düsteres Bild: Unerträgliche Arbeitsbedingungen und miese Löhne gehören zum Alltag.

Arbeitnehmerrechte auch in Schlachtbetrieben: Fleischindustrie tut was fürs Image

Niedersachsens Fleischunternehmen sprechen sich für Mindestlöhne und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus