taz.de -- Proteste in der Ukraine: Streit um Amnestiegesetz

Das ukrainische Parlament knüpft die Freilassung von Demonstranten an die Räumung des Maidan. Die Opposition protestiert. Russland stoppt Milliardenhilfen.
Bild: Protest auf dem Maidan: Ohne Amnestie wollen sie nicht gehen.

KIEW afp | Unter dem Protest der Opposition hat das ukrainische Parlament ein umstrittenes Amnestiegesetz beschlossen. Mit den Stimmen der Regierungspartei von Präsident Viktor Janukowitsch wurde der an Vorbedingungen geknüpfte Text zur Freilassung von Regierungskritikern am Mittwochabend verabschiedet. Das Gesetz soll erst in Kraft treten, wenn die Oppositionsbewegung besetzte Straßen und Regierungsgebäude räumt. Oppositionspolitiker Vitali Klitschko rief die EU zu Sanktionen gegen Janukowitsch auf.

Von 416 anwesenden Abgeordneten im Parlament stimmte nach stundenlanger Debatte eine Mehrheit von 232 Parlamentariern für das Gesetz, elf votierten dagegen. Die 173 anwesenden Abgeordneten der Opposition boykottierten die Abstimmung und machten ihrem Ärger über das Vorgehen der regierenden Partei der Regionen lautstark Luft.

An dem Streit über die Räumung besetzter Orte als Vorbedingung für die Amnestie war bereits am Dienstag eine Abstimmung gescheitert. Nach dem Votum am Mittwoch kritisierte der Oppositionspolitiker Oleg Tjagnibok von der Partei Swoboda, dieses sei unrechtmäßig erfolgt. Der Regierung warf er vor, die dutzenden während der wochenlangen Proteste festgenommenen Demonstranten als Geiseln zu halten.

Vor hunderten Demonstranten, die der Kälte auf dem Maidan trotzten, versprach Tjagnibok später, der Kampf werde weitergehen. Die Bewegung hielt auch am Donnerstagmorgen weiter mehrere Schlüsselgebäude in Kiew besetzt, darunter das Rathaus.

Land „am Rande eines Bürgerkriegs“

Zu Beginn der Sitzung hatte der frühere ukrainische Präsident Leonid Krawtschuk die Abgeordneten aufgerufen, einen Plan für eine Lösung des Konflikts auszuarbeiten, weil sich das Land „am Rande eines Bürgerkriegs“ befinde. Es gebe „parallele Autoritäten im Land und de facto einen Aufstand“, sagte er mit Blick auf die Übernahme der Staatsgewalt in manchen Landesteilen durch die Opposition. Krawtschuk, erster Präsident nach der Unabhängigkeit der Ukraine von der Sowjetunion 1991, bemüht sich seit Wochen um eine Lösung des Konflikts.

Klitschko schrieb in einem Gastbeitrag für die Bild-Zeitung (Donnerstagsausgabe), die Oppositionsbewegung hoffe, „dass die EU solange ein Einreiseverbot gegen Janukowitsch und seine Behördenvertreter verhängt, bis der Präsident die Rücknahme seiner diktatorischen Gesetze auch wirklich unterschreibt“.

Am Dienstag hatte das Parlament als Zugeständnis an die Opposition die umstrittenen Gesetze annulliert, mit denen vor zwei Wochen die Versammlungsfreiheit massiv eingeschränkt worden war. Zudem war Ministerpräsident Mykola Asarow zurückgetreten. Tagsüber war es in Kiew am Mittwoch weitgehend ruhig geblieben.

Russlands Präsident Wladimir Putin kündigte derweil an, mit der vollständigen Auszahlung von Milliardenhilfen an die Ukraine zu warten, bis eine neue Regierung im Amt ist. Moskau hatte Kiew im Dezember Unterstützung zugesagt, nachdem die Ukraine darauf verzichtet hatte, ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union zu unterzeichnen.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte nach einem Gespräch mit Janukowitsch in Kiew, Gewalt und Einschüchterung müssten gestoppt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte in einem Telefonat mit Janukowitsch, das Verabredete, darunter auch das Amnestiegesetz, schnell umzusetzen und den Dialog fortzusetzen. An Putin appellierte sie telefonisch, für einen konstruktiven und ergebnisorientierten Dialog zwischen Regierung und Opposition zu werben.

30 Jan 2014

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