taz.de -- Anklage gegen Gezi-Aktivisten: Staatsanwaltschaft muss nachbessern

In der Türkei sollen mehrere Tausend Gezi-Demonstranten vor Gericht gestellt werden, doch es wurde geschlampt. Mitglieder von „Taksim Solidarität“ blieben verschont.
Bild: Taksim-Platz in Istanbul: Demonstranten hatten ihn im Sommer 2013 besetzt

ISTANBUL afp | Ein Gericht in der türkischen Metropole Istanbul hat die Anklage gegen 26 prominente Mitglieder der Gezi-Protestbewegung wegen schwerer juristischen Mängel zurückgewiesen. Das Gericht monierte unter anderem, dass die Staatsanwaltschaft die Schuldvorwürfe gegen die Verdächtigen nicht genügend präzisiert habe, wie türkische Medien am Montag meldeten. Die Anklage hatte bis zu 29 Jahre Haft verlangt.

Die Anklage richtete sich gegen Mitglieder der Gruppe „[1][Taksim Solidarität]“, eine führende Organisation der Protestbewegung. Einige der Beschuldigten, wie die Architektin Mücella Yapici, gehörten zu einer Abordnung der Demonstranten, die sich im Juni vergangenen Jahres bei einem Treffen mit Ministerpräsident Recep Tayyip bemüht hatten, eine Lösung im Streit um den Istanbuler Gezi-Park zu finden. Ihnen wird Bildung und Leitung einer kriminellen Organisation vorgeworfen. Nach der Zurückweisung der Anklageschrift muss die Staatsanwaltschaft jetzt nachbessern.

Pläne Erdogans für ein Bauprojekt im Gezi-Park hatten im Juni landesweite Proteste gegen die Regierung ausgelöst, in deren Verlauf sechs Menschen starben und Tausende verletzt wurden.

In Kürze soll ein erstes Verfahren gegen 255 Gezi-Demonstranten beginnen, denen wegen Teilnahme an den Protesten Landfriedensbruch, zum Teil aber auch Terrordelikte vorgeworfen werden. Insgesamt sollen mehrere tausend Gezi-Demonstranten vor Gericht gestellt werden.

10 Feb 2014

LINKS

[1] http://taksimdayanisma.org/?lang=en

TAGS

Schwerpunkt Türkei
Protest
Aktivismus
Gezi-Park
Schwerpunkt Protest in der Türkei
Istanbul
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Sotschi 2014
Istanbul
Schwerpunkt Türkei
Staatsbesuch
Wahlkampf

ARTIKEL ZUM THEMA

Proteste in der Türkei: Gegen Zensur, für freies Netz

Regierungsgegner gehen in Istanbul wegen des neuen Internetgesetzes auf die Straße. Die Polizei setzt Wasserwerfer ein und nimmt mehrere Menschen fest.

Gesetzentwurf in der Türkei: Mehr Macht für den Geheimdienst

Geht es nach dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, darf der Geheimdienst MIT bald auf eigentlich vom Bankgeheimnis geschützte Daten zugreifen.

Türkischer Präsident unterschreibt Gesetz: Internetkontrolle jetzt amtlich

Die Hoffnung auf ein Veto des türkischen Präsidenten bleibt unerfüllt: Gül unterzeichnet das umstrittene Gesetz, das Netz-Zensur ermöglicht. Medien protestieren bereits.

Roman über die Türkei: Das Bauchgrimmen des Drachen

Murat Uyurkulak erzählt in „Glut“ von der Türkei am Rande der Apokalypse. Kaum ein türkischer Autor arbeitet sich so brachial an seiner Heimat ab.

Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Olympia ist ein Manöver der Nato, die Türkei ist die bessere Europäische Union, und der Kolumnist verlanzt langsam aber sicher.

Demonstration in der Türkei: Tränengas gegen Oppositionelle

Mehrere Tausend Menschen protestierten gegen die am Donnerstag erlassenen Internetgesetze der Regierung Erdogan. Dabei kam es zu Ausschreitungen mit der Polizei.

Internet in der Türkei: Gesetz zur Zensur verabschiedet

Webseiten können nun ohne Gerichtsbeschluss gesperrt werden, Behörden können Nutzerdaten von Providern einfordern. Die Opposition spricht von „Zensur“.

Kommentar Erdogan in Berlin: Der erste Türke auf dem Mond

Ministerpräsident Erdogan nutzt seine Deutschland-Auftritte gern zur Selbstdarstellung. Ob das seinem Land nutzt, sei dahingestellt.

Erdogan in Berlin: Korruption? Ach was

Mit markigen Worten wirbt Ministerpräsident Tayyip Erdogan in Deutschland um Zustimmung seiner Landsleute. Sein Image als Staatenlenker ist aber angekratzt.