taz.de -- Proteste in der Türkei: Gegen Zensur, für freies Netz

Regierungsgegner gehen in Istanbul wegen des neuen Internetgesetzes auf die Straße. Die Polizei setzt Wasserwerfer ein und nimmt mehrere Menschen fest.
Bild: Demonstranten filmen den Polizeieinsatz in Istanbul.

ISTANBUL dpa/afp | Bei Protesten gegen die schärfere Kontrolle des Internets in der Türkei hat die Polizei in Istanbul erneut Wasserwerfer und Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt. Aus den Reihen von mehreren hundert Regierungsgegnern wurden die Sicherheitskräfte am Samstagabend in der Nähe des Taksim-Platzes mit Feuerwerkskörpern, Steinen und Flaschen beworfen. Polizisten in Zivil nahmen mehrere Menschen fest. Demonstranten errichteten Barrikaden und zündeten Mülltonnen an.

Staatspräsident Abdullah Gül hatte das Gesetz zur schärferen Kontrolle des Internets am vergangenen Dienstag trotz scharfer Kritik aus dem In- und Ausland unterzeichnet. Es erlaubt den Behörden unter anderem die Sperrung von Internetseiten ohne vorherigen richterlichen Beschluss. „Ich bin hierhergekommen, um die Zensur zu stoppen“, sagte ein 19-Jähriger Demonstrant am Samstag.

Auch in der Hauptstadt Ankara und in der Millionenmetropole Izmir hatten Regierungsgegner für Samstag zu Protesten aufgerufen. In Istanbul ging die Polizei mit einem Großaufgebot gegen die Demonstranten vor, nachdem es bei Protesten gegen das Gesetz vor zwei Wochen zu schweren Zusammenstößen mit Verletzten gekommen war.

Die islamisch-konservative Regierung in Ankara steht auch wegen anderer Gesetze in der Kritik. Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ hatte Präsident Gül am Freitag dazu aufgefordert, ein Gesetz über den Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte (HSYK) nicht zu unterzeichnen. Das Gesetz diene ausschließlich dazu, die Kontrolle der Regierung über die Justiz auszubauen, hieß es. Umstritten ist auch ein Gesetzesvorhaben der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zum Ausbau der Befugnisse des Geheimdienstes MIT.

23 Feb 2014

TAGS

Istanbul
Schwerpunkt Türkei
Internetzensur
Taksim-Platz
Recep Tayyip Erdoğan
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei

ARTIKEL ZUM THEMA

Netz-Reaktionen auf Erdogan: „Ich hätte ihn erdrosseln lassen“

Trotz der Zensurbemühungen macht der mutmaßliche Mitschnitt zwischen Erdogan und seinem Sohn die Runde. Und amüsiert die türkische Community.

Telefonat zwischen Erdogan und Sohn: „Bring alles weg“

Ein angeblicher Mitschnitt eines Telefongesprächs zwischen dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan und seinem Sohn ist bei Youtube aufgetaucht. Es geht um Geld.

Justiz in der Türkei: Politische Sondergerichte abgeschafft

Erdogans AKP macht einen Schritt auf die säkulare militärische Opposition zu. Die auf sie zielende Sondergerichtsbarkeit wird aufgehoben.

Gesetzentwurf in der Türkei: Mehr Macht für den Geheimdienst

Geht es nach dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, darf der Geheimdienst MIT bald auf eigentlich vom Bankgeheimnis geschützte Daten zugreifen.

Türkischer Präsident unterschreibt Gesetz: Internetkontrolle jetzt amtlich

Die Hoffnung auf ein Veto des türkischen Präsidenten bleibt unerfüllt: Gül unterzeichnet das umstrittene Gesetz, das Netz-Zensur ermöglicht. Medien protestieren bereits.

Anklage gegen Gezi-Aktivisten: Staatsanwaltschaft muss nachbessern

In der Türkei sollen mehrere Tausend Gezi-Demonstranten vor Gericht gestellt werden, doch es wurde geschlampt. Mitglieder von „Taksim Solidarität“ blieben verschont.