taz.de -- Staatskrise in der Ukraine: EU droht mit Sanktionen
Der ukrainische Präsident Janukowitsch hat den Generalstabschef ausgetauscht. Am Donnerstag wollen die EU-Außenminister Sanktionen beschließen.
BERLIN/BRÜSSEL/KIEW ap/dpa | Ukrainische Regierungsgegner haben sich am Mittwoch in Kiew den zweiten Tag in Folge gegen den massiven Polizeieinsatz am Unabhängigkeitsplatz in Kiew gewehrt. Sie besetzten ein Postamt, nachdem in der Nacht ein von ihnen zuvor als Hauptquartier genutztes Gebäude in der Nähe abgebrannt war. Sie warfen Brandsätze und Steine auf Bereitschaftspolizisten, die mit Blendgranaten und Wasserwerfern zum Gegenangriff übergingen.
25 Tote und mehr als 240 Verletzte sind die offizielle Bilanz der bislang folgenschwersten Zusammenstöße in der seit einem Vierteljahr andauernden Konfrontation zwischen Regierung und Opposition.
Die EU-Außenminister wollen am Donnerstag Sanktionen gegen die politische Führung in Kiew beschließen. Die 28 EU-Staaten werden nach Angaben von Diplomaten Einreiseverbote gegen eine Reihe von Politikern verhängen. Zugleich wollen sie die in der EU befindlichen Bankkonten dieser Personen einfrieren.
Vor dem EU-Sondertreffen in Brüssel reist Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit seinen Kollegen aus Frankreich und Polen nach Kiew. Dabei soll es um Möglichkeiten gehen, trotz der Eskalation der Gewalt noch eine politische Lösung für den seit Monaten andauernden Konflikt in der Ukraine zu finden. Zusammen mit Steinmeier reisen Frankreichs Außenminister Laurent Fabius und der polnische Ressortchef Radoslaw Sikorski in die ukrainische Hauptstadt.
Mit den sogenannten restriktiven Maßnahmen reagiert die EU auf die blutigen Straßenschlachten in Kiew. Die EU fordert die Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch und die Opposition zu einem politischen Dialog, einer Verfassungsreform sowie freien und demokratischen Wahlen auf. Die Krise sei nur politisch und nicht mit Gewalt zu lösen, hieß es.
Armeechef entlassen
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich angesichts der Ausschreitungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Verbindung gesetzt. In einem Telefongespräch hätten beiden Seiten vereinbart, „alles zu tun, damit die Gewalt nicht weiter eskaliert“, sagte Merkel am Mittwochabend in Paris.
Die Kanzlerin informierte Putin über die Initiative der Außenminister von Deutschland, Frankreich und Polen und betonte, es solle „alles versucht werden, damit der politische Prozess dort in Gang kommt“. Mit Putin habe sie vereinbart, in engem Kontakt zu bleiben.
Inmitten der blutigen Proteste in der Ukraine hat Janukowitsch den Generalstabschef ausgetauscht. In einem Erlass setzte das Staatsoberhaupt am Mittwoch den Marinechef Juri Iljin als Nachfolger von Wladimir Samany ein, der nun Vizevorsitzender des nationalen Sicherheitsrats ist. Es war zunächst unklar, ob die Personalie im Zusammenhang mit den Straßenschlachten in Kiew und den Angriffen radikaler Regierungsgegner auf Verwaltungsgebäude im Westen der Ex-Sowjetrepublik stand. Zuvor hatte das Militär mitgeteilt, es sei befugt, an einem "Anti-Terror-Einsatz" des Geheimdiensts SBU gegen Radikale und Extremisten teilzunehmen. Bis zum Abend griff das Militär aber nicht in die Auseinandersetzungen ein.
Eine ukrainische Sportlegende, Ex-Stabhochspringer und Olympiachef Sergej Bubka, rief unterdessen alle Konfliktparteien auf, die Gewalt sofort zu beenden. „Ich rufe noch einmal alle Konfliktparteien auf, die Gewalt zu stoppen, die unser Land an den Rand einer Katastrophe gebracht hat“, sagte Bubka, der beim ukrainischen Olympiateam in Sotschi ist.
Bubka ließ seine Sorge über ein Auseinanderbrechen der Ukraine in einen prowestlichen, ukrainisch sprechenden Teil und einen Moskau zugewandten, russisch sprechenden Teil erkennen. Er sei bereit, „alles für einen friedlichen Prozess zu tun, weil ich mein Land und unser Volk liebe und an unsere Zukunft glaube“.
Die Krawalle waren die schwersten seit Ende der Sowjetunion 1991. Tausende Polizisten stürmten am Dienstagabend ein Protestlager der Opposition auf dem Unabhängigkeitsplatz. Rund 20.000 Regierungsgegner setzten sich mit Steinen, Knüppeln und Brandbomben zur Wehr und sangen dabei die Nationalhymne.
Dieser Artikel wurde aktualisiert um 20:30.
19 Feb 2014
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