taz.de -- Demonstration für Bleiberecht: Tausende gegen Abschiebungen

Rund 4.000 Menschen gehen für ein Bleiberecht für die Lampedusa-Flüchtlinge auf die Straße. Ein Sprecher der Gruppe dementiert den Streit mit der Kirche.
Bild: Wiederholt für ein Bleiberecht für die Lampedusa-Gruppe auf der Straße: Demonstranten in Hamburg

Die Politik des Hamburger SPD-Senats gegenüber den Lampedusa-Flüchtlingen bringt auch nach fast einem Jahr noch Tausende auf die Straße. Rund 4.000 Menschen haben am Samstagnachmittag dafür demonstriert, dass die etwa 300 über Libyen und Italien nach Deutschland geflohenen Afrikaner als Gruppe ein Bleiberecht in der Hansestadt bekommen.

Der Senat verlangt nach wie vor, dass die Flüchtlinge sich einer Einzelfallprüfung unterziehen, die eine Abschiebung zur Folge haben könnte. Die Innenbehörde hatte zudem im Januar behauptet, die Flüchtlinge hätten die Stadt entweder verlassen oder seien versorgt.

Dem widersprachen die Demonstranten vehement: „Ihr seht, das Problem ist noch nicht gelöst“, sagte einer der Sprecher der Lampedusa-Gruppe in Richtung des Senats bei der Auftaktkundgebung am Hachmannplatz: „Wir sind noch da!“ Die Gruppe hatte zu einer „politisch-kulturellen Parade“ aufgerufen.

Entsprechend bunt war die Demonstration: Viele trugen Masken oder Perücken, hatten Luftballons, Fahnen oder Klobürsten in der Hand. Friedlich zogen die Demonstranten über Ballindamm, Mönckebergstraße und Adenauerallee zum Hansaplatz nach St. Georg. Mehrere Hip-Hop-Künstler sorgten dort für den kulturellen Abschluss

Im Clinch mit der Kirche

Auf der Demonstration war auch der Konflikt zwischen Teilen der Flüchtlinge und der Kirche Thema, den das Hamburger Abendblatt am Freitag öffentlich gemacht hatte. „Ich möchte mich bei der St.-Pauli-Kirche für die humanitäre Hilfe bedanken“, sagte ein Redner, „aber niemand hat das Recht, für uns zu sprechen!“ Im Abendblatt hatte Sprecher Asuquo Udo kritisiert, dass die Kirche zu sehr im Mittelpunkt stehe und eingesammelte Spendengelder nicht an die Gruppe weitergebe.

Pastor Sieghard Wilm wies die Vorwürfe gegenüber der taz zurück. Er habe nie behauptet, für die Flüchtlinge zu sprechen. Die zentrale Rolle seiner Kirche in der öffentlichen Wahrnehmung sei „auch eine Entscheidung der Medien“. Da die Kirche rechenschaftspflichtig sei, könne er Spenden nicht in bar an die Flüchtlinge aushändigen, ohne sich strafbar zu machen. Von den rund 150.000 Euro, die 2013 zusammengekommen wären, finanziere die Kirche ihre humanitäre Hilfe. Das Geld werde unter anderem für Nahrungsmittel, Behandlungskosten, Rechtsanwälte und Sprachkurse ausgegeben.

Die Gemeinsamkeiten betonen

Wilm versucht, die Wogen zu glätten: „Mein Mitgefühl gilt allen Flüchtlingen und ich nehme die Vorwürfe nicht persönlich, weil sie sehr verzweifelt sind.“ Auch auf der Demonstration betonten die Beteiligten die Gemeinsamkeiten. „Es gibt keinen Konflikt mit der Kirche, uns geht es nur um unser Bleiberecht“, ruderte Asuquo Udo gegenüber der taz zurück. Mit der Beteiligung an der Parade war der Gründer der Lampedusa-Gruppe sichtlich zufrieden. „Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob der Senat sich von Demonstrationen beeindrucken lässt“, sagte er. „Aber wir müssen tun, was wir tun müssen.“

Am Samstagabend demonstrierten in der Schanze erneut etwa 100 Linksradikale unangemeldet für ein Bleiberecht der Flüchtlinge. Dabei warfen sie diverse Gegenstände auf die Straßen, bevor die Polizei die Demonstration zerstreute. Später demonstrierten die Aktivisten erneut auf der Reeperbahn. Die Polizei beendete auch diese Demonstration und leitete zwei Strafverfahren wegen der Teilnahme an unangemeldeten Versammlungen ein.

2 Mar 2014

AUTOREN

Renner

TAGS

Hamburg
SPD
Demonstrationen
Lampedusa-Gruppe
Bleiberecht
SPD Hamburg
Hamburg
Flüchtlinge
Abschiebung
Flüchtlinge
Flüchtlinge
Hamburg
Lampedusa
Hamburg
Hamburg
Gefahrengebiet

ARTIKEL ZUM THEMA

Pastor Wilm über fünf Jahre Lampedusa in Hamburg: „Das hat die Qualität eines Wunders“

Sieghard Wilm, Pastor auf St. Pauli, nahm viele aus der Lampedusa-Gruppe in seiner Kirche auf. Nun hat einer von ihnen Frau und Kind getötet.

Lampedusa-Geflüchtete in Hamburg: Der lange Kampf

Seit mehr als einem Jahr kämpft die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ für eine Perspektive. Die Solidarität ist groß, aber nicht unendlich. Der Senat kann sich zurücklehnen.

Bericht der Anti-Folter-Stelle: „Löcher in Türen und Wänden“

Die Anti-Folter-Stelle bemängelt die Zustände in „staatlichem Gewahrsam“ für Flüchtlinge. Ihr Bericht wird am Freitag übergeben.

Asylbewerber in Deutschland: Bund plant Balkan-Gesetz

2013 kamen so viele Asylsuchende nach Deutschland wie zuletzt in den 90ern. Unter ihnen sind viele Menschen vom Balkan. Die Regierung will jetzt Konsequenzen ziehen.

Beratung zur „freiwilligen Ausreise“: Abschiebung kinderleicht

Ein Projekt des Roten Kreuzes erklärt Flüchtlingskindern im Comic die Rückkehr in die Herkunftsländer ihrer Familien. Aktivisten kritisieren das Vorgehen.

Kommentar Bleiberecht für Lampedusa-Gruppe: Humanitäre Lösung ist möglich

Erneut sind mehr als 4.000 Menschen für die Lampedusa-Flüchtlinge auf die Straße gegangen. Der SPD-Senat hat sich vergaloppiert, wenn er meint, den Konflikt aussitzen zu können.

Zensierter Wettbewerb in Hamburg: Bitte nicht zu kritisch

Ein Hamburger Verkehrsbetrieb stoppt den Entwurf eines Schülers, der auf einen Bus gemalt werden sollte. Er ist wohl zu politisch.

Flüchtlingspolitik von unten: „Wir wollten nicht nach Europa“

Aktivisten und Flüchtlinge verfassen ein Manifest für ein offenes Europa. Sie treffen sich dafür an einem symbolischen Ort – auf Lampedusa.

Ali Ahmad über Lampedusa-Flüchtlinge: „Wir sind nicht geteilt“

Die Lampedusa-Gruppe wehrt sich gegen die Darstellung der Innenbehörde, es gebe nur noch 50 registrierte Flüchtlinge vor Ort.

Hamburgs Linke diskutiert über Gewalt: Militanz bleibt Handlungsoption

Auf einer Podiumsdiskussion geht es um Demogewalt und Polizeitaktik im Streit um die Rote Flora. Ist Kritik an der Militanz unsolidarisch?

Innensenator über Gefahrengebiet: „Es geht um Gewalttaten“

Provokation oder Protektion? Für den Hamburger Innensenator Michael Neumann ist das Gefahrengebiet eine „Erfolgsgeschichte“.

Scheidende Flüchtlingsbeauftragte Fanny Dethloff: „Willkommenskultur fehlt“

Die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche gibt ihr Amt auf. Ein Gespräch über eine Arbeit zwischen allen Stühlen.