taz.de -- Kommentar Bleiberecht für Lampedusa-Gruppe: Humanitäre Lösung ist möglich

Erneut sind mehr als 4.000 Menschen für die Lampedusa-Flüchtlinge auf die Straße gegangen. Der SPD-Senat hat sich vergaloppiert, wenn er meint, den Konflikt aussitzen zu können.
Bild: So weit die Solidarität trägt: Demonstration für ein Arbeits- und Bleiberecht für die "Lampedusas" Anfang Juli vor dem Hamburger Rathaus

Erneut sind mehr als 4.000 Menschen trotz Ferienbeginns für die Lampedusa-Flüchtlinge auf die Straße gegangen. Wohl weitaus mehr, als selbst die Veranstalter und Flüchtlingshilfe-Organisationen erwartet haben. Das macht deutlich, dass das Schicksal der rund 300 vor einem Jahr in Hamburg gestrandeten libyschen Kriegsflüchtlinge ein Brennpunkt-Thema bleibt.

Der SPD-Senat um Bürgermeister Olaf Scholz hat sich vergaloppiert, wenn er meint, den Konflikt aussitzen zu können. Die Information aus der Innenbehörde, 65 Flüchtlinge hätten sich einem individuellen Asylverfahren unterzogen und der Rest sei wieder nach Italien ausgereist, erweist sich als Luftblase. In der Tat hat es Scholz mit einem speziellen Phänomen zu tun: mit Flüchtlingen, die sich nicht einem individuellen Asylverfahren unterziehen wollen, weil sie bereits in Italien als Kriegsflüchtlinge anerkannt sind und nicht bis zum Auftauchen eines Abschiebe-Rollkommandos warten wollen, sondern ein kollektives Bleiberecht nach Paragraf 23 Aufenthaltsgesetz fordern.

Seit sich die „Gruppe Lampedusa in Hamburg“ am 1. Mai vorigen Jahres als Kollektiv zu Wort gemeldet hat, spätestens aber, nachdem die Nordkirche Scholz im Juni die Rote Karte gezeigt hat, als sie sich an einem Abschiebelager beteiligen sollte, muss Scholz klar sein, dass es in diesem Konflikt nur eine politische Lösung geben kann.

Sicher: Die Angst im Senat ist groß, dass, wenn hier eine Ausnahme gemacht werden sollte, auch Griechenland, Spanien und Malta alle Flüchtlinge, die sie loswerden wollen, nach Hamburg schicken werden. Doch es kann auch nicht ausgeblendet werden, dass das europäische Flüchtlingssystem zerbrochen ist.

In den zurzeit parallel laufenden Verwaltungsgerichtsverfahren von neun somalischen Piraten, die Ostern 2000 den Frachter „Taipan“ im Indischen Ozean geentert hatten und zu hohen Haftstrafen verurteilt worden sind, versuchen Ausländerbehörde und Gericht die Somalier davon zu überzeugen, dass mit dem Urteil in diesem Fall nicht automatisch ihre Ausweisung einhergeht.

Die – auch laut den Juristen – menschenrechtswidrige Ausweisung müsse aus Gründen der „Generalprävention“ aufrecht erhalten bleiben, um nicht die Botschaft auszugeben: Wer deutsche Schiffe kapert, bekommt anschließend in Deutschland Aufenthalt. Aber aus „humanitären Gründen“ käme eine Abschiebung wegen der Zustände in Somalia praktisch nicht infrage.

Auch bei der Gruppe Lampedusa ist solch eine Einzelfalllösung möglich, indem der Senat eine Regelung ausdrücklich als Kollektivlösung deklariert. Und wenn er nur neben den italienischen Kriterien die Ver.di-Mitgliedschaft zugrunde legt.

2 Mar 2014

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Kai von Appen
Kai von Appen

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