taz.de -- Rohstoffe auf dem Meeresboden: Bergwerke in der Tiefsee
Die Rohstoffe der Zukunft kommen aus den Weltmeeren. Die Bundesregierung steckt schon mal einen Claim im Indischen Ozean ab.
HAMBURG taz | Deutschlands altbewährtes [1][Forschungsschiff „Sonne“] brach Ende Februar zu einer weiteren Expedition in den Indischen Ozean auf. Fern der Küste Mosambiks werden die Wissenschaftler das Auseinanderbrechen des ehemaligen Großkontinents Gondwana vor mehr als 100 Millionen Jahren untersuchen. Solche Bruchstellen gelten als Fundgruben für viele wertvolle Rohstoffe.
Dort, wo heute die tektonischen Platten der Kontinente auf 55.000 Kilometer Länge am Meeresgrund aufeinanderstoßen, sprudeln beispielsweise Mineralien aus dem Urgrund der Erde, die „Schwarzen Raucher“.
Angesichts stark gestiegener Rohstoffpreise, blutiger Bürgerkriege und problematischer Ländermonopole gibt es einen weltweiten Trend zur Erkundung möglicher Vorkommen tief unten am Meeresboden.
Drei Viertel der Erde sind mit Wasser bedeckt. Dort, in Tausenden Meter Tiefe, liegen wahre Schätze verborgen: Erdöl und Gas, die gewaltige Energiequelle Methanhydrat in Form von Eis, Schwarze Raucher, metallreiche Krusten und Manganknollen mit begehrten Industrierohstoffen. Der Meeresbergbau verspricht eine goldige Zukunft. Vor allem für internationale Bergbaukonzerne wie Rio Tinto oder Nautilus und für deutsche Produzenten der Tiefseetechnik.
„Es geht um Billionen von Dollar“, sagte der Geophysiker Christian Reichert von der [2][Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)] und Mitglied der [3][Internationalen Meeresbodenbehörde ISA] während der Präsentation des dritten „World Ocean Review“ in Hamburg.
Visionäre der maritimen Industrie setzen ihre Hoffnungen auf Seltene Erden. Die sind zwar längst nicht alle selten, aber Antimon, Germanium und Rhenium – ohne die weder Plasmabildschirme noch Windkraftanlagen laufen – sind für die Bundesregierung und bald wohl auch für die Europäische Union „strategische Rohstoffe“.
Bislang werden sie allein an Land abgebaut, aber der wachsende Bedarf in China, Russland und in Schwellenländern, die steigende Nachfrage durch Neuentwicklungen in den reichen Staaten dürfte über kurz oder lang den Tiefseebergbau wirtschaftlich machen.
Ökologischen Folgen noch ungeklärt
Der „World Ocean Review“ (WOR) wirft dazu viele Fragen auf. Doch die ökologischen Aspekte sind danach seriös kaum zu beantworten. Frühere Forschungen stellte ausgerechnet die rot-grüne Regierung vor einem Dezennium ein, beklagte im ehemaligen Hauptzollamt Hafen-Hamburg Gerd Schriever vom [4][Forschungsinstitut Biolab] in Braunschweig.
Immerhin erlaubt die Technik heute punktuelle Ernten am Meeresboden. Sie ist aber für die Tiefsee noch nicht wirklich gerüstet. Selbst Vorschwimmer wie Japan oder Südkorea sind noch am Experimentieren. Die Siemens AG testet im norwegischen Trondheim die Stromversorgung für Tiefsee-Bergwerke. Ein Sprecher verweist auf eines der vielen Probleme: „3.000 Meter unter der Meeresoberfläche lastet auf jedem Quadratzentimeter der Komponenten ein Druck von 300 Kilogramm.“
Das entscheidende ökonomische Referenzprojekt aus Sicht der Wissenschaftler arbeitet vor Papua-Neuguinea im Pazifik. Der kanadische Multi Nautilus Minerals will dort in noch relativ flachem Wasser Manganknollen ernten: In einem Areal von 1,3 Kilometer Länge und bis zu 200 Meter Breite sollen Gold, Silber, Kupfer und Zink liegen. Zurzeit ruhen die Arbeiten in der Bismarcksee aufgrund eines Rechtsstreits mit der Regierung.
Gemeinsames Erbe der Menschheit
Der Rechtsstreit ist insofern typisch, als auf hoher See durch das [5][Seerechtsübereinkommen (SRÜ)] seit 1982 die Ausbeutung des „gemeinsamen Erbes der Menschheit“ recht ordentlich geregelt ist. So müsste der zukünftige Ertrag aus dem Meeresbergbau zur Hälfte an arme Länder fließen. Wirtschaftlich und ökologisch problematischer, so die WOR-Autoren, seien Küstenregionen wie vor Papua-Neuguinea.
Rund 370 Kilometer ragen die „Ausschließlichen Wirtschaftszonen“ ins Meer – Verantwortlich allein ist dafür der jeweilige Küstenstaat. Wer das jeweils im Konkreten ist, darüber streiten sich beispielsweise sechs Staaten um einige Inseln im südchinesischen Meer, Argentinien mit Großbritannien um die Falklandinseln – um die schon mal Krieg geführt wurde – und Großmächte ringen um die Arktis.
[6][//www.uni-kiel.de/aktuell/pm/2005/2005-045-jenisch.shtml:Professor Uwe Jenisch,] international bekannter Seerechtsexperte an der Universität Kiel, fordert denn auch eine Ausdehnung der nachhaltigen Normen des Seerechtsübereinkommens auf die nationalen Wirtschaftszonen im Meer und mehr ökologische Schutzgebiete.
Impuls für die Wirtschaft
Auch Deutschland droht ein Rohstoffrausch. Im Januar meldete Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bei der Internationalen Meeresbodenbehörde ISA auf Jamaika eine Lizenz zur Erkundung von Massivsulfiden auf dem Tiefseeboden des Indischen Ozeans an. Die beantragte Lizenz sei für den Standort Deutschland zweifach von Bedeutung: Als „neue Quellen“ für Hochtechnologierohstoffe und als „starker Impuls“ für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau.
Bereits 2006 hatte die Bundesrepublik, wie andere Industriestaaten auch, einen Erkundungsclaim im Pazifik abgesteckt – größer als Niedersachsen und Schleswig-Holstein zusammen. Im Pazifik ruhen tief am Meeresgrund Manganknollen. Die kleinen, schwarzbraunen Brocken enthalten wertvolle Industriemetalle wie Kupfer, Nickel und Kobalt.
Die Jagd auf die Tiefsee geht weiter: rechtlich, wirtschaftlich und politisch. Die Goldgrube im Indischen Ozean vor Madagaskar, auf die jetzt die „Sonne“ zufährt, hat einen weit höheren Mineralgehalt zu bieten als die Manganknollen im Pazifik. Wann sie allerdings geerntet werden, hängt vor allem von der Entwicklung auf den Rohstoffmärkten ab. Setzt sich der Superzyklus des vergangenen Jahrzehnts fort, dürften 2020 die ersten Tiefseebergwerke eröffnet werden.
9 Mar 2014
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