taz.de -- Urnengang in Nordkorea: Ja oder Nein

Die Nordkoreaner wählen ein neues Parlament. Doch sie dürfen sich nicht zwischen verschiedenen Kandidaten entscheiden. „Ja“ oder „Nein“ sind die beiden Optionen.
Bild: Nicht so richtig farbenfroh - aber nicht minder überglücklich: Die Nordkoreaner und ihr Staatsoberhaupt Kim Jong Un.

SEOUL afp | Unter großem medialen Spektakel hat die nordkoreanische Staatsführung unter Machthaber Kim Jong Un am Sonntag ein neues Parlament wählen lassen. Das Staatsfernsehen zeigte hunderte Menschen in traditioneller bunter Kleidung, die den Urnengang mit Tänzen auf den Straßen feierten. Pro Wahlkreis trat jeweils nur ein Kandidat von Kims Gnaden an. Die Abstimmung könnte aber trotzdem Hinweise auf die derzeitigen Machtverhältnisse in Pjöngjang liefern.

„Überglückliche“ Wähler seien seit dem frühen Morgen zu den Wahllokalen geströmt, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur KCNA. Viele von ihnen hätten auf den Straßen musiziert und getanzt, um Kim zu huldigen. Die Wahlbeteiligung lag demnach angeblich bereits am frühen Nachmittag bei 91 Prozent. Wer wegen Krankheit oder aus anderen Gründen nicht zur Wahl ging, wurde von Behördenvertretern aufgesucht.

Obwohl in jedem der 687 Wahlkreise jeweils nur ein Kandidat antrat, betonten die Staatsmedien die Pflicht „jedes Einzelnen“ zur Stimmabgabe. Sie berichteten zudem, dass der Urnengang ordnungsgemäß stattfinde. Bei der vorherigen Parlamentswahl im Jahr 2009 wurden nach offiziellen Angaben alle Bewerber mit hundertprozentiger Zustimmung gewählt. Die damalige Wahlbeteiligung lag offiziell bei 99,98 Prozent.

Die alle fünf Jahre erneuerte Volksvertretung des autoritär regierten kommunistischen Landes ist praktisch machtlos und wird üblicherweise nur zu einer oder zwei Gelegenheiten im Jahr einberufen, um Haushaltsvorlagen und Personalentscheidungen der Staatsführung zu bestätigen. Die vorherige Wahl fand unter dem Ende 2011 verstorbenen Machthaber Kim Jong Il statt. Dessen Nachfolge trat sein Sohn Kim Jong Un an, der auch selbst kandidierte.

Wahl als Volkszählung

Kim trat, wie einst sein Vater, im Wahlkreis Paektu an. Der gleichnamige Berg wird in Nordkorea als heilig verehrt. Der Legende nach wurde Vater Kim dort geboren. Das Staatsfernsehen zeigte hunderte Soldaten vor dem dortigen Wahllokal. Von einer Wand hinter der Wahlurne blickten Vater und Sohn Kim von großen Plakaten auf sie herab. Nach ihrer Stimmabgabe verneigten sich die Soldaten tief vor den Porträts.

Für die diesjährige Parlamentswahl ließ Kim seit Wochen mit Gedichten und unmissverständlichen Aufrufen werben. Darin wurde die Abstimmung etwa als „Welle der Gefühle und der Freude“ beschrieben. „Wir gehen zum Wahllokal“, hieß eine andere seit Tagen im Land verbreitete Botschaft. Auf den Stimmzetteln gab es nur die Möglichkeit, neben den Namen eine Ja-Stimme abzugeben.

Die Wahl könnte Hinweise auf die derzeitigen Machtverhältnisse in Pjöngjang geben. Ende vergangenen Jahres war Kims einflussreicher Onkel Jang Song Thaek wegen angeblicher Umsturzpläne hingerichtet worden. Er hatte wie viele andere Führungskader der Volksversammlung angehört. Die Neuwahl dürfte deshalb darüber Aufschluss geben, wer außer ihm auch in Ungnade fiel und von den geheimen Kandidatenlisten gestrichen wurde.

Zudem hat der Urnengang den Nebeneffekt einer Volkszählung, weil alle Nordkoreaner verpflichtet sind, zur Wahl zu gehen oder im Fall eines Nichterscheinens zu Hause aufgesucht werden. Kim verstärkte zwar seit seinem Amtsantritt die Grenzkontrollen. Dennoch gelang es im vergangenen Jahr jedoch mehr als 1500 Menschen, über China ins verfeindete Südkorea zu fliehen.

9 Mar 2014

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