taz.de -- Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Hitlervergleiche können nur die Deutschen, die EU ist nicht der Samthandschuh der Nato, und die bürgerlichen Zeitungen sind der neue Boulevard.
Bild: Auch die Ukrainer üben sich in Hitler-Vergleichen.

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: So langsam fehlt uns der Zivildienst. Etwa bei der Berichterstattung über die Ukraine.

Und was wird besser in dieser?

Obama telefoniert mit Merkel, und sie weiß es sogar.

Diese Woche sind wieder deutsche Sportler nach Sotschi gefahren – zu den Paralympischen Spielen. Unsere Politiker blieben angesichts der Lage in der Ukraine zu Hause. Ein Affront?

Nein, es ist wirtschaftlich vernünftig. Die Lage in der Ukraine ist bereits fertig eskaliert; es macht also gar keinen Sinn mehr, nach Sotschi zu reisen, nur um dann empört wieder abreisen zu können.

Die Büchner-Preis-Trägerin Sibylle Lewitscharoff hat sich für ihre Rede über künstliche Befruchtung entschuldigt, die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton für einen Nazi-Vergleich. Warum eigentlich immer diese Entschuldigungstiraden?

Zunächst möchte ich mich für den Vergleich zwischen Lewitscharoff und Clinton entschuldigen. Immerhin hat Lewitscharoff noch einen Link zu „Nazi-Kopulationsheimen“ hinbekommen, während Clinton Putin zwar ordnungsgemäß verhitlert, jedoch keine Bonuspunkte für Porno-Assoziationen hinbekommt. Unser Tipp: kompetente Hitlervergleiche immer aus dem Land des Originalerzeugers kaufen.

Der Nationalrat der Schweiz hat die Lockerung der Bestimmungen für Rüstungsexporte beschlossen. Künftig dürfen auch Länder mit problematischer Menschenrechtslage beliefert werden. Läuft die Schweiz Deutschland jetzt den Rang ab?

Ein Gebot der Fairness. Der Schweizer U-Boot-Industrie fehlt es zu Hause einfach an Übungsmöglichkeiten.

Die russische Regierung wirft den USA und der EU vor, in der Krimrise mit zweierlei Maß zu messen. Die neue Führung der Ukraine würde anerkannt, das Selbstbestimmungsrecht der Krim jedoch missachtet. Hat sie recht?

Klingt nicht ganz so hasserfüllt wie Clintons Hitler-Putin-Vergleich. Bis Dezember war Janukowitsch ein dufter Kumpel der EU, seine Autogramme unter Assoziierungsverträgen wurden bei 15 Milliarden gehandelt. Nachdem er sich lieber von Putin kaufen ließ, ist er ein böser Kleptokrat. Eine Außenpolitik, die verdutzt aufschäumt, wenn Russland keine Nato-Panzer 800 Kilometer vor Moskau sehen möchte, ist dumm, dreist oder dummdreist. Kurz, die EU hätte hier die Chance klarzumachen: Europa ist nicht der Samthandschuh über der Panzerfaust Nato. EU und Russland sind Nachbarn, die gemeinsam der heillos verschuldeten Ukraine aufhelfen können. Man müsste nur behutsam die USA aus dem Kalten Krieg lotsen.

Die konservativen europäischen Parteien haben am Freitag Jean-Claude Juncker als Spitzenkandidaten für die Europawahl bestimmt. Wie wird der Wahlkampf gegen Martin Schulz?

Paradox. Juncker focht als Chef der Euro-Gruppe für die Finanztransaktionsteuer und fiel bei Merkel in Ungnade, weil er der Deutschen Eurobonds abringen wollte. Jedenfalls hat die CDU-Chefin bereits dekretiert, der Wahlsieger werde nicht automatisch Kommissionspräsident werden. Man könnte zur Nominierung auch einfach laut rülpsen, das wäre höflicher. Dass die anderen konservativen Parteien in Europa der deutschen Kanzlerin den ungeliebten Juncker aufs Auge drücken, sagt etwas über die Einsamkeit der Teutonen.

Am Mittwoch hat die Münchner Abendzeitung Insolvenz angemeldet. Ist das der Anfang vom Ende des Boulevardjournalismus?

Ja wie? Macht der Spiegel zu? Am Beispiel der Wulff-Hinrichtung etwa ließ sich eher belegen, dass der Boulevardjournalismus nicht mehr auf Boulevardmedien angewiesen scheint. Da konnte man Hörensagen, Premium-Spekulatius und Beutemeute auch bei FAZ, SZ und sonst wo bekommen. Hoeness, Edathy, Schwarzer und immer wieder Wulff: Die „bürgerlichen“ Zeitungen machen den Tabloids die Meinungsführung streitig. Mist-Marktwirtschaft!

Am Mittwoch hat auch die Fastenzeit begonnen. Laut einer Umfrage der dpa wollen 6 Prozent der fastenden Deutschen dieses Jahr auf Sex verzichten. Sie auch?

Ja, okay. Ich verzichte auf Sex mit 6 Prozent der Deutschen. Aber mal unter uns weltweit angesehenen Hochleistungsrammlern: Wäre es nicht eher im Sinne des Fastens, auf etwas zu verzichten, was man normalerweise tut?

Und was machen die Borussen?

Geben sich redlich Mühe beim Bayern-Dissen. Aber mal ehrlich, so ein knackiger Hitler-Vergleich, der fehlt doch.

(FRAGEN: LAG)

9 Mar 2014

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Friedrich Küppersbusch

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