taz.de -- Spanien unter Druck: Erstes Endspiel für die Weltmeister

Gegen die Chilenen müssen die Titelträger siegen – sonst droht die Heimreise. Hat Trainer del Bosque die besten Spieler nominiert?
Bild: Aus voller Überzeugung – Vincente del Bosque.

BERLIN taz | Wenn jemand an seine Worte den Satz „Das sage ich aus voller Überzeugung“ anfügt, dann hat er das vorher Gesagte mit großer Wahrscheinlichkeit nicht aus voller Überzeugung gesagt. Der Volle-Überzeugung-Zusatz ist das, was „War nur ein Witz“ im Anschluss an missglückte Kalauer ist: Auch bei diesem Nachsatz kann man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass das vorher Gesagte nicht witzig war.

Nationaltrainer Vicente del Bosque hat sich nach dem furios missglückten Auftritt seiner spanischen Mannschaft zum Auftakt dieses Turniers zu diesem „Das sage ich aus voller Überzeugung“-Satz genötigt gefühlt. Zuvor hatte er gesagt: „Wir haben diese Spieler nominiert, weil sie die besten sind.“ Und weil er anschließend ja schlecht „War nur ein Witz“ sagen konnte, sprach er halt „aus voller Überzeugung“.

Aber ob ihm das jemand abkauft? Diese Spanier, die bei der [1][1:5-Niederlage von den Niederländern überrannt wurden] – die besten Fußballer ihres Landes?

In der zweiten Halbzeit hatten sich del Bosques Spieler gehen lassen. Bäumten sich nicht auf. Und auch der Stoiker del Bosque stemmte sich nicht gegen das drohende Unheil. Als seine Mannschaft 1:2 zurücklag, wechselte er die beiden Angreifer Fernando Torres und Pedro ein. Doch es liefen weiterhin nur die Niederländer.

Die bemitleidenswerten Spanier schafften es einfach nicht mehr, das Spiel unter ihre Kontrolle zu bringen. Als es 1:4 stand, brachte er mit Cesc Fàbregas noch einen Offensiven. Del Bosque bewies, dass er es sich nicht traut, ein 1:3 zu verwalten. Schadensbegrenzung. Er hätte Bayerns Javi Martínez bringen können, einen der besten Konterverhinderer der Welt. Del Bosque tat es nicht. So fielen noch 2 Tore für Holland: 1:5. Kein Witz.

Auch ein Untentschieden ist zu wenig

Und nun stehen die Weltmeister mit den Rückennummern zur Wand. Müssen am Mittwoch gegen Chile gewinnen. Verlieren sie, sind die Titelverteidiger draußen. Selbst ein Unentschieden dürfte zu wenig sein. Denn gewinnen die Niederlande gegen Australien, würde ihnen und den Chilenen im abschließenden Gruppenspiel ein Remis zum sicheren Weiterkommen reichen. Was muss der Weltmeister von 2010 also gegen Chile machen, um das frühe Aus zu verhindern?

Alles, was er sonst meidet: mit ein bis zwei Stoßstürmern spielen (Fernando Torres und Diego Costa) und flanken, flanken, flanken. Denn im Spiel gegen Australien, das die Chilenen zwar 3:1 gewannen, konnte sich selbst der nur 1,80 Meter große und zumeist völlig alleingelassene Tim Cahill jede Hereingabe angeln.

Del Bosque ist sich sicher, dass seine Spieler diese Schwächen schon erkennen und die richtige Lösung finden werden: „Sie haben die nötige Erfahrung, um die kommenden Aufgaben zu meistern“, sagte er. Aus voller Überzeugung.

21 Uhr, Gruppe B, Spanien – Chile, ARD

18 Jun 2014

LINKS

[1] /Kommentar-Spanischer-Fussball/!140366/

AUTOREN

Jürn Kruse

TAGS

WM 2014
Spanien
Vorrundenaus
Fußball
WM 2014
Brasilien
WM 2014
Fußball
Spanien
Australien
WM 2014
WM 2014
Spanien
WM 2014
WM 2014
WM 2014

ARTIKEL ZUM THEMA

EM-Quali Spanien – Mazedonien: Stilistische Verwirrung

Spanien verzweifelt vor dem Spiel weiter an seiner fehlenden Durchschlagskraft. Der alte Trainer Vicente Del Bosque soll das Problem lösen.

Kommentar Spaniens Fußball: Gracias, La Roja

Das spanische Nationalteam versagt bei der WM auf ganzer Linie. Aber die Mannschaft um Xavi und Iniesta hat jahrelang großartigen Fußball gespielt.

Presseschau Spanien - Chile: „Vom Himmel in die Hölle“

Die einen feiern, die anderen weinen. Die spanischen und chilenischen Medien sind sich der Geschichtsträchtigkeit des Spiels bewusst.

Spanien scheidet bei WM aus: Ein Stück Fußballgeschichte

Das frühe Ausscheiden der spanischen Nationalmannschaft ist historisch. Das wird Konsequenzen haben. Doch die Spanier werden zurückkommen.

Kamerun - Kroatien (Gruppe A): Bezwingbare Löwen

Das Team von Volker Finke kann nur eine Halbzeit lang mithalten. Nach einer roten Karte bricht Kamerun gegen Kroatien auseinander.

Spanien gegen Chile (Gruppe B): Das Ende einer Ära!

Spanien verliert sein zweites Gruppenspiel gegen Chile mit 2:0. Der Titelträger verabschiedet sich damit vorzeitig aus dem Turnier.

Australien gegen Holland (Gruppe B): Favoritenstatus vorerst aberkannt

Nur mühevoll gewinnt die Niederlande gegen Australien mit 3:2. Die Socceroos haben damit nur noch geringe Chancen aufs Achtelfinale.

Kolumne Fußball-Wissenschaft: Ist der Star zurück?

Das Kollektiv ist das Wichtigste, so der Trend im modernen Spitzenfußball. Doch bei dieser WM hat sich der Einzelspieler zurückgemeldet.

Russland – Südkorea (Gruppe H): Not gegen Elend

Ein Patzer und eine Einzelaktion sorgen für ein Remis zwischen Russland und Südkorea. Die dürftige Begegnung hat keinen Sieger verdient.

Kommentar Spanischer Fußball: Das Ende einer Ära?

Weltmeister Spanien blamiert sich gegen die Niederlande bis auf die Knochen. Aber die 5:1-Klatsche könnte auch einen positiven Effekt haben.

Presseschau zu Spaniens WM-Debakel: „Weltweite Demütigung“

Das Spiel der heimischen Nationalmannschaft war ein Albtraum, da sind sich die spanischen Zeitungen einig. Und sie finden sehr klare Worte.

Spanien - Niederlande (Gruppe B): Irgendwie historisch

Holland demontiert den Weltmeister Spanien und gewinnt mit 5:1. Robben, van Persie und Co. spielten sich in einen regelrechten Rausch.

Erster Auftritt des Weltmeisters: Ist jetzt mal gut, Spanien?

In den letzten Jahren haben Xavi und Kollegen alles gewonnen. Immer mit demselben Spielstil. Ist das langweilig? Oder links?