taz.de -- Kolumne Hier spricht Brasilien: Vögeln statt Fifa

Im Stadion sitzen während der Weltmeisterschaft die reichen Eliten. Alle, auch die Fifa-Kritiker, lieben Fußball, aber bitte doch nicht so!
Bild: Gegen die WM sein, heißt nicht, gegen Fußball sein. Im Gegenteil, die BrasilianerInnen lieben diesen Sport.

„Não vai ter Copa – Vai ter cópula.“ Eines von vielen brasilianischen Wortspielen: „Es wird keine WM geben – es wird gevögelt.“ Logisch, fiel doch das Eröffnungsspiel auf den 12. Juni, unseren „Tag der Verliebten“. Ich war eine von Tausenden, die im Facebook zugesagt haben, dabei zu sein. Der Spaß war auch eine Form des Protests, um zu zeigen, dass es für viele weit genussvollere Dinge gibt, als vor dem Fernseher zu sitzen und auf den Sieg der brasilianischen Mannschaft zu hoffen.

Es wirkt eigenartig, aber anders als in anderen Jahren dauerte es, bis die Straßen angepinselt waren. Nur hier und dort sind grün-gelbe Fahnen zu sehen. Apathie, als ob viele Brasilianer vergessen hätten, dass bei uns zu Hause die Spiele stattfinden. Ausgerechnet wie, weltweit bekannt als Land des Fußballs.

Um dieses Klima zu verstehen, muss an das vergangene Jahr erinnert werden. Statt wie so oft träge und fern der sozialen Kämpfe, sahen wir die Notwendigkeit, für unsere Rechte auf die Straßen zu gehen. Es ging um Buspreise und Bildung, gegen Polizeigewalt und gegen sportliche Megaveranstaltungen.

Aber gegen die WM heißt nicht gegen Fußball. Im Gegenteil, wir lieben diesen Sport. Doch es gibt viel zu kritisieren, von der Geldverschwendung bis zur Elitisierung des Maracanã. Es reicht, sich das Publikum bei der Eröffnung anzuschauen. Fast alle Reiche, Weiße, ein privilegierter Ausschnitt aus einem Brasilien, das es so nicht gibt.

Aber genau deswegen wird es doch die Weltmeisterschaft geben. Aber wir werden weiter auf den Straßen und in den sozialen Netzwerken zeigen, dass wir für ein Brasilien mit sozialer Gerechtigkeit sind. Und dass wir kreativ genug sind, um unsere Unzufriedenheit auszudrücken.

19 Jun 2014

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Jacob

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