taz.de -- SPD-Minister mit Fracking-Papier: Ein wenig dagegen, ein wenig dafür

Sigmar Gabriel und Barbara Hendricks wollen das umstrittene Fracking teilweise erlauben. Umweltschützer warnen vor „Schlupflöchern“.
Bild: Wasser-Sand-Chemikalien-Gemisch: Das kommt beim Fracking in die Erde, dafür kommt Gas raus.

BERLIN taz | Die Erdgasförderung mittels der Fracking-Methode soll in Deutschland teilweise verboten werden. Darauf haben sich Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD) geeinigt.

„Fracking zur Förderung von Schiefer- und Kohleflözgas wird es zu wirtschaftlichen Zwecken auf absehbare Zeit in Deutschland nicht geben“, heißt es in den am Freitag veröffentlichten Eckpunkten. Mit der Union ist das Vorhaben noch nicht abgestimmt. Grüne und der Naturschutzbund kritisierten das Vorhaben als nicht weitreichend genug.

Fracking ist eine Fördermethode, bei der Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in den Untergrund gepresst werden, damit durch kleine Risse Erdgas an die Oberfläche steigt. In den USA ist diese Förderung stark angewachsen, der Gaspreis gesunken. Hiesige Firmen, die auch von billigerem Gas profitieren wollen, plädieren dafür, Fracking auch in Deutschland zu ermöglichen. In ihrem Koalitionsvertrag haben Union und SPD festgelegt, dass die Methode hierzulande erst zum Zuge kommt, wenn Umweltschäden ausgeschlossen sind.

Hendricks und Gabriel schlagen nun eine Doppelstrategie vor. Das sogenannte unkonventionelle Fracking bis zu 3.000 Meter Tiefe wollen sie zunächst verbieten. Als Ausnahme können in diesem Bereich nur Forschungsvorhaben zugelassen werden, um beispielsweise umweltfreundlichere Chemikalien auszuprobieren. Diese Regelung sollen Regierung, Bundestag und Bundesrat 2021 überprüfen. Nach Angaben des Bundesumweltministeriums wäre damit Fracking in Gesteinsschichten bis zu 3.000 Metern, wie es in den USA praktiziert wird, hierzulande vorläufig unmöglich.

„Schlupflöcher für die Risikotechnologie“

Davon unterscheiden Hendricks und Gabriel das sogenannte konventionelle Fracking in tieferen Gesteinsschichten, beispielsweise auf 4.000 oder 5.000 Meter Tiefe. Laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ist dieses viel weniger gefährlich. Die beiden Minister wollen solche Vorhaben weiterhin ermöglichen, jedoch unter schärferen Umweltauflagen. Verboten werden soll außerdem „jegliches Fracking“ in Trinkwasser- und Naturschutzgebieten sowie „Einzugsbereichen von Talsperren und Seen“.

Die BASF-Tochter Wintershall begrüßte die Eckpunkte: „Sie gehen, was die konventionelle Erdgasförderung betrifft, in die richtige Richtung.“ Förderunternehmen wie Wintershall argumentieren, dass Fracking in tiefen Schichten seit 50 Jahren in Deutschland ohne Probleme stattfinde, vor allem in Niedersachsen.

Johannes Remmel, grüner Umweltminister von Nordrhein-Westfalen, bezeichnet das Hendricks-Gabriel-Papier hingegen als Mogelpackung. „Unter dem Deckmantel des angeblichen Wasserschutzes werden Schlupflöcher für diese Risikotechnologie eröffnet, die faktisch Fracking in ganz Deutschland ermöglichen sollen.“ In NRW gilt derzeit ein Genehmigungsstopp. Wintershall aber möchte dort „geologische Erkundungen“ durchführen.

4 Jul 2014

AUTOREN

Hannes Koch

TAGS

Fracking
Sigmar Gabriel
Barbara Hendricks
SPD
Niedersachsen
Niedersachsen
Sigmar Gabriel
Umwelt
Umweltbundesamt
Großbritannien
Fracking
Gasförderung
Schleswig-Holstein
Bundesregierung
Fracking

ARTIKEL ZUM THEMA

Grüner Streit um Kali-Bergbau: Salz in der Suppe

Im Streit über Abwässer der Kali-Industrie verzetteln sich die Umweltminister der Ökopartei. Es geht vor allem um eine Pipeline für die Abfälle.

Wie schädlich sind Erdgasbohrungen?: Das Dorf der Krebskranken

Im niedersächsischen Söhlingen fürchten die Bewohner, dass Erdgasförderung Krebs verursacht. Der Nachweis ist gar nicht so einfach.

Die Sommerreise von Sigmar Gabriel: Minister auf Wirtschaftskurs

Die SPD will sich wieder mehr um den Mittelstand und Wachstum kümmern. Mit dieser Mission tourt ihr Parteichef durch den Osten.

Kommentar Fracking: Die letzte Konsequenz fehlt

Das Gutachten des Umweltbundesamtes zur neuen Form der Gasförderung weist in die richtige Richtung. Es geht aber nicht weit genug.

Umweltbundesamt gegen Fracking: „Unbeherrschbare Risikotechnologie“

Das Umweltbundesamt fordert ein „Quasiverbot“ für die umstrittene Erdgasfördermethode. Das soll durch strenge Umweltauflagen erreicht werden.

London erlaubt Fracking wieder: Hälfte des Landes freigegeben

Zum ersten Mal seit sechs Jahren erlaubt die Regierung wieder die umstrittene Förderung von Öl und Erdgas. Auch Naturschutzgebiete sind betroffen.

Warnung vor Fracking-Folgen: Bierbrauer sorgen sich ums Bier

Trinkwasserbrunnen sollen gesetzlichen Schutz vor Fracking genießen. Das reiche jedoch nicht aus, warnt unter anderem Deutschlands Bierlobby.

Gas-Fracking in Deutschland: Das Verbot wird erweitert

Die Bundesregierung will keinen Fracking-Boom wie in den USA. Zu stark sind die Proteste von Wasserversorgern bis Bierbrauern. Sie fürchten Gefahren fürs Grundwasser.

Schleswig-Holsteins Bundesratsinitiative: Ganz große Koalition will Fracking-Verbot

Die umstrittene Methode zur Förderung von Erdgas soll zumindest auf dem Papier verboten werden. Umweltschützer sprechen von „Täuschung der Öffentlichkeit“.

Der politische WM-Check: Was läuft im Schlandestag?

Während die Deutschen Fußball gucken, beschließt der Bundestag in Windeseile unbeliebte Gesetze. Wahrheit oder Verschwörungstheorie?

Klüngelei mit Fracking-Gegnern: Nato enthüllt Putins neue Waffe

Nato-Generalsekretär Rasmussen behauptet, Moskau unterstütze Anti-Fracking-Aktivisten – um Europa abhängig von russischem Erdgas zu halten.