taz.de -- Repression gegen Islamisten: Abweisen, ausbürgern, abschieben
Gleich reihenweise fordern Unionspolitiker, stärker gegen hiesige Islamisten vorzugehen. Die SPD hält dagegen.
BERLIN taz | Schon seit Wochen berät die Arbeitsgruppe der Innenexperten: Was tun mit den hiesigen Islamisten, die es nach Syrien und den Irak zieht? Wie können Personalausweise entzogen, Abschiebungen schneller durchgeführt werden?
Die Gruppe wurde auf der Innenministerkonferenz im Juni ins Leben gerufen. Angesichts des Vormarschs der Terrorgruppe „Islamischer Staat“, den auch deutsche Salafisten unterstützen, bekommt die Runde nun Fürsprache von ganz oben. Man müsse „nachdenken, ob eine Änderung von Rechtslagen geboten ist“, ließ am Montag Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verlauten.
Die Sicherheitsbehörden sorgen vor allem die Rückkehrer: Von den 400 ausgereisten Islamisten sollen rund 100 wieder in Deutschland sein. 25 von ihnen gelten als kampferprobt – und meist noch radikalisierter.
Gleich reihenweise fordern Unionspolitiker nun ein härteres Vorgehen. Ausländische Extremisten müssten ausgewiesen oder an der Wiedereinreise gehindert werden, so Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Innenexperte Wolfgang Bosbach. NRWs CDU-Chef Armin Laschet und Unions-Vize Thomas Strobl forderten, bei klarer Beweislage auch deutschen Islamisten die Pässe zu entziehen: Wer mit Terroristen kämpfe, verwirke sein Aufenthaltsrecht.
Seit Monaten bereitet de Maizière bereits eine Gesetzesnovelle vor, die Abschiebungen erleichtern soll, wenn Betroffene etwa „zu Hass aufrufen“ oder „terroristische Taten billigen“. Die Lage bei Islamisten mit deutscher Staatsbürgerschaft sei dagegen „schwierig“, sagte de Maizière dem MDR. Rechtsreformen seien jetzt „in Ruhe abzuwägen“.
Auch Ludger Harmeier, Sprecher im Innenministerium Nordrhein-Westfalen, wo die Arbeitsgruppe der Innenexperten derzeit geleitet wird, sprach von "hohen verfassungsrechtlichen Hürden". "Es wird mit Sicherheit keinen Schnellschuss geben."
Tatsächlich gibt es wenig Spielraum. Laut Artikel 16 des Grundgesetzes darf die Staatsangehörigkeit, auch bei schweren Straftaten, nicht entzogen werden. Dies geht nur, wenn etwa bei der Einbürgerung falsche Angaben gemacht wurden. Auch Einreisen dürfen Deutschen nicht verwehrt werden. Zudem fehlen den Sicherheitsbehörden vielfach Beweise, wie die Rückkehrer an Kämpfen beteiligt waren.
SPD-Bundesvize Ralf Stegner wies die „sich überschlagenden Forderungen“ der Union zurück. Um die Unterstützung von Terrorismus zu verfolgen, reiche die Gesetzeslage. Die Unions-Vorschläge, so Stegner, seien „Stammtischattacken“.
11 Aug 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Immer wieder fordern Unionspolitiker die Ausbürgerung missliebiger Personen. Juristisch dürften sie damit keinen Erfolg haben.
Er ist weder charismatisch, noch ein großer Gelehrter. Dennoch gilt Sven Lau als einer der wichtigsten Wortführer der Salafisten in Deutschland.
Politiker empören sich über das Auftreten einiger Salafisten als „Scharia-Polizei“ in Wuppertal. Sie stellen klar: Das wird „auf deutschem Boden“ nicht geduldet.
Eine „Scharia-Polizei“ patrouilliert immer wieder nachts durch Wuppertal. Die selbsternannten Sittenwächter berufen sich dabei auf den Ur-Islam.
CDU-Politiker Wolfgang Bosbach fordert ein Verbot der Terrorgruppe IS. SPD-Fraktionsvize Eva Högl warnt: Der Rechtsstaat könnte sich dabei blamieren.
Rechte Parteien in NRW-Stadträten versuchen Kräfte zu bündeln. Es hat wohl auf kommunaler Ebene geheime Absprachen zwischen PRO NRW, NPD und AfD gegeben.
Präsident Hollande kündigt „jede nötige Unterstützung“ im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ im Irak an. Dazu gehören auch Waffenlieferungen an die Kurden.
Obama stellt sich hinter den designierten Regierungschef al-Abadi. Obwohl der US-Einsatz bisher kaum Wirkung zeigt, sollen die Luftschläge nicht ausgeweitet werden.
Linkspartei-Fraktionschef Gysi fordert, dass Deutschland Waffen an PKK, Peschmerga und den Irak exportiert. Nur so könne der Terror von IS gestoppt werden.
In Bielefeld haben tausende Jesiden gegen den Terror der IS-Miliz im Irak demonstriert. Viele sprechen von einem Genozid gegen ihre Gemeinschaft.
Der Irakkonflikt schwappt über: In NRW greifen Islamisten Jesiden an. Es kommt zu Tumulten. Ausgewanderte Islamisten versuchen den Konflikt anzuheizen.
Für die Behörden sind sie „eine konkrete Gefahr“: deutsche Dschihad-Kämpfer in Syrien und im Irak. Im Internet führen sie eine Propagandaschlacht
Der Innenminister und der Verfassungsschutz-Chef warnen vor einer Bedrohung durch Islamisten. Aber was genau weiß die Behörde über die Szene?