taz.de -- WM-Vergabe unter Korruptionsvorwürfen: So durchsichtig wie Milchglas
Immer mehr Fifa-Mitglieder fordern die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts. Eine Anti-Blatter-Allianz formiert sich trotzdem nicht.
Die Anzahl der Transparenz-Fürsprecher in der Fifa ist in den letzten Tagen enorm gestiegen. Immer mehr forderten zuletzt die Veröffentlichung des Garcia-Berichts. Fifa-Vizepräsident Prinz Ali bin al-Hussein (Jordanien), Jeffrey Webb (Chef vom Verband für Nord- und Mittelamerika und die Karibik CONCACAF), Franz Beckenbauer sowie DFB-Präsident Wolfgang Niersbach meldeten sich in diesem Sinne zu Wort.
Der Chefermittler der Fifa-Ethikkommission Michael Garcia hat ja einen 350-seitigen Bericht über seine Untersuchung zu den Korruptionsvorwürfen bei der WM-Vergabe der WM an Russland 2018 und Katar (2022) verfasst.
Muss man sich jetzt Sorgen um Sepp Blatter machen, der sich gegen die Offenlegung des Garcia-Berichts aussprach? Eigentlich erfreut sich der 78-Jährige Schweizer ja im Kreis der Fußballfunktionäre weltweit größter Beliebtheit. „Auf Bitten zahlreicher Verbände“, wie er erklärte, hat er sich jüngst entschlossen, eine fünfte Amtszeit an der Spitze der Fifa dranzuhängen. Er stellt sich Ende Mai in Zürich erneut zur Wahl, um dem Fußball „zu dienen“. So formulierte er es in seiner aufopferungsvollen Art.
Jetzt aber kann man den Eindruck gewinnen, als ob sich da eine undankbare informelle Anti-Blatter-Allianz bilden würde. Der Sepp macht derzeit gar keine gute Figur. Diesen Umstand wollte auch sein großer Gegenspieler Uefa-Präsident Michel Platini nutzen. Der Franzose erklärte: „Ich habe kein Problem damit, die Resultate und Empfehlungen des Berichtes der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wenn es nicht gegen den Fifa-Ethikcode verstößt, unterstütze ich die Veröffentlichung des Berichtes.“
Ethikcode statt Transparenz
Da bereits die englische Sunday Times erklärt hat, im Besitz von Dokumenten zu sein, die Korruptionszahlungen an Fifa-Funktionäre belegen, ist die Neugier auf den Garcia-Bericht allseits groß. Der öffentliche Druck steigt.
Aber Sepp Blatter verweist kühl auf die Spielregeln der Fifa. Die Berichte könnten gemäß dem Ethikcode der Fifa gar nicht veröffentlich werden. Auch aus Zeugenschutzgründen würde dieser Vertraulichkeit vorschreiben. Platinis Statement offenbart indes in seiner Doppelbödigkeit, wie opportunistisch die vermeintliche Opposition gestrickt ist.
Denn alle wissen, dass eine Offenlegung eine Änderung des Ethikcodes erfordern würde. Der Spruchkammervorsitzende der Fifa-Ethikkommission, der Deutsche Hans-Joachim Eckert, der den Garcia-Bericht bewerten muss, hatte dies vor einiger Zeit erst klar gestellt. Entscheiden kann eine solche Veränderung aber nur das Exekutivkommitee, in dem eben auch der so offenheitsliebende Uefa-Chef Platini seinen Sitz hat.
Blatter hat gerade erst erklärt, dass bei der letzten Sitzung des Exekutivkommitees Ende September sich niemand für die Veröffentlichung des Garcia-Berichts eingesetzt hat. Platini hat dem bislang nicht widersprochen. Sunil Gulati, der Fußball-Chef des US-Verbands, hingegen, schilderte der New York Times, es hätten sich sehr wohl einige ExCo-Mitglieder für eine Publizierung des Garcia-Berichts eingesetzt.
So lange nur so wenige Fifa-Funktionäre dem obersten Patriarchen die Stirn bieten, kann der sich bestens hinter den Verbandsethikregeln verschanzen. Dabei sollten diese ursprünglich für mehr Transparenz sorgen. Die jüngsten Debatten zeigen, man hat bei der Fifa lediglich undurchsichtiges Milchglas eingezogen.
10 Oct 2014
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