taz.de -- Hörspieltage der ARD: (K)ein Nebenbeimedium
Erlebt das Hörspiel gerade eine Renaissance? Die Hörspieltage in Karlsruhe lassen das jedenfalls vermuten.
Zehntausend Besucher werden bis Sonntag bei den [1][Hörspieltagen in Karlsruhe] erwartet. Es werden jedes Jahr mehr. Viel mehr dürfen es allerdings nicht werden, denn im Zentrum für Kunst und Medientechnologie reicht der Platz nicht. Die Besucher werden dabei sein, wenn Livehörspiele entstehen, Krimis und Kindergeschichten hören, experimentelle und dokumentarische Stücke.
„Dem deutschen Hörspiel geht es gut“, sagt Ulrike Toma, die beim NDR die Abteilung Radiokunst leitet. Sie meint: Im deutschen Radio laufen hochwertige Produktionen, die mit viel Geld und Aufwand erarbeitet werden. Die Zugriffszahlen auf die Onlineangebote sind verhältnismäßig gut, bei besonders erfolgreichen Produktionen im mittleren fünfstelligen Bereich, aber das ist selten.
Mehr Quellen hat Thoma nicht, um einzuschätzen, wie ihre Hörspiele ankommen. Statistiken gibt es nicht, die Zahlen der Medienanalyse sind nicht detailliert genug. Aber man kann schätzen: Radio ist für die meisten Hörer ein Nebenbeimedium, am Frühstückstisch, im Auto, bei der Arbeit. Ab 18 Uhr fallen die Hörerzahlen schlagartig ab.
Boom der Hörbücher
Hörspiele laufen meistens am Abend – und zudem vor allem auf den Kulturwellen. Deren Einschaltquoten sind niedrig. Hörspiel ist ein Nischenmedium, die Macher organisieren sich in einer freien Szene und treffen sich auf Festivals wie in Karlsruhe oder in Leipzig. In kaum einem anderen Land werden so viele Hörspiele so aufwendig produziert wie in Deutschland.
Ein Grund dafür, dass das Hörspiel auf kleiner Ebene floriert, ist der Boom der Hörbücher. Im Gegensatz zum Musik- und Filmmarkt steigen beim Hörbuch die Umsatzzahlen immer noch. 2013 war das bisher beste Jahr für die Branche: Mehr als 14 Millionen CDs wurden verkauft und auch der Downloadabsatz steigt. „Davon profitieren auch die Radio-Hörspiele“, sagt Toma, „aber nur zum Teil.“ Hörbücher decken nur eine Sparte des Hörspiels ab: Gut verkauft werden die CDs von den großen Autoren, die wichtigen literarischen Stoffe und die prominenten Stimmen.
„Doku Fiction“ wird immer populärer
Daneben gebe es beim Hörspiel im Radio noch ein anderes Segment, das in der letzten Zeit immer populärer wird, Toma nennt es „Doku Fiction“. Autoren vermischten literarische Inhalte mit Original-Tönen. „Dass Feature und Hörspiel sich treffen, ist nicht neu. Neu ist aber, dass die Hörspiele damit auch zunehmend mehr Aufmerksamkeit in anderen Programmen bekommen“, sagt Toma.
In letzter Zeit sei die Vermischung von literarischen und dokumentarischen Stoffen in „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“, einer Produktion vom HR, oder im Hörspiel des Monats Juni, [2][„Nach dem Verschwinden“], zu hören. Für den fiktiven Dialog mit Ilse Aichinger haben die Produzenten des RBB unter anderem mit Originalaufnahmen der Schriftstellerin gearbeitet. Auch der aktuelle Star der Hörspielszene, Paul Plamperer, der mit seiner Produktion „Der Kauf“ im letzten Jahr den Hörspielpreis der ARD gewonnen hat, spielt mit Originaltönen.
Krimis laufen besonders gut
Daneben sind es aber nach wie vor vor allem Kinderhörspiele und Krimis, die im Radio besonders gut laufen, sagt Ulrike Toma. Der [3][„ARD Radio Tatort“] ist einer der meistgehörten. Auch hier gibt es keine genauen Zahlen, aber die aktuelle Folge ist in dieser Woche der am meisten heruntergeladene Podcast in den deutschen iTunes-Charts. Das zu Amazon gehörende Online-Hörspielportal [4][audible.de] hat gerade eine eigene Krimiserie produzieren lassen, gesprochen von Felicitas Woll, Dominic Raacke und Sky Dumont. Ab 19. November steht die erste Staffel zum Download bereit.
An den absoluten Klassiker kommen die Radiokrimis allerdings nicht heran: [5][„Die drei ???“] wurden mittlerweile über 45 Millionen mal auf Tonträgern verkauft und sind damit die erfolgreichste Hörspielserie, die je produziert wurde – weltweit.
6 Nov 2014
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