taz.de -- Kommentar Abstimmung in Katalonien: Madrid hat ein Problem

Die symbolische Abstimmung in Katalonien hat gezeigt: Das postfranquistische Gesamt-Spanien ist gescheitert.
Bild: Er ist wohl gegen ein unabhängiges Katalonien.

2,2 Millionen Katalanen gingen bei einer nicht bindenden [1][Abstimmung über die Unabhängigkeit] an die Urnen. 80,7 Prozent stimmten für die Loslösung von Spanien, weitere 11,1 Prozent für die Föderation eines katalanischen Staates mit Spanien und nur 4,6 Prozent dafür, dass alles bleibt, wie es ist. Auch ohne jede rechtliche Bindung ist dies mehr als ein Achtungserfolg für die ständig wachsende Unabhängigkeitsbewegung.

Jetzt wird der Zahlenkrieg beginnen. Was bedeutet das Ergebnis angesichts 5,5 Millionen Wahlberechtigter? Was will die schweigende Mehrheit? All diese Debatten sind so steril wie unnütz. Denn Spanien steht – das müsste eigentlich seit Sonntag auch dem letzten klar sein – vor einem großen Problem.

Der Prozess in Katalonien ist nicht umkehrbar. Je länger sich Madrid weigert, eine ordentliche Volksabstimmung zuzulassen, um so mehr Zulauf bekommt die Unabhängigkeitsbewegung und irgendwann – wohl sehr bald – wird sie einen Weg finden, ihrem Begehren Ausdruck zu verleihen. Von vorgezogenen Neuwahlen, bei der alle Parteien, die für die Unabhängigkeit sind, gemeinsam antreten, um die Mehrheit zu erlangen, ist die Rede.

Es besteht kein Zweifel: Die spanische Nach-Franco-Ordnung ist gescheitert. Die alten Konflikte sind auch nach dem Übergang von Diktatur zur Demokratie weiterhin wirksam, die Krise hat sie an die Oberfläche gespielt. Aber es ist nicht nur die Frage um Katalonien – und auch um das Baskenland – die ein Ende der Ordnung der Verfassung von 1978 heraufbeschwören.

Auch im restlichen Spanien macht sich Unmut breit. Das Zweiparteiensystem bricht dank Sozialkürzungen und Korruption in sich zusammen. Die Empörung sucht sich neue Wege und findet sie in der vor wenigen Monaten entstandenen Partei Podemos, die einigen Umfragen bereits als stärkste politische Kraft gehandelt wird.

Die Ordnung von 1978 hat ihre Legitimität völlig verloren. Wie dieses Problem zu lösen ist? Sicher nicht damit, das demokratische Ausdrucksweisen, wie ein Referendum im Falle Kataloniens unterdrückt werden.

10 Nov 2014

LINKS

[1] /Abstimmung-in-Katalonien/!149182/

AUTOREN

Reiner Wandler

TAGS

Katalonien
Spanien
Unabhängigkeit
Volksabstimmung
Katalonien
Podemos
Katalonien
Judentum
Katalonien
Spanien
Katalonien
Spanien

ARTIKEL ZUM THEMA

Regionalwahl in Katalonien: Die Sehnsucht nach dem Stern

Im September wählen die Katalanen ihr Parlament. Der Urnengang kommt einem Referendum über die Unabhängigkeit der Region gleich.

Podemos in Spanien: Der Himmel ist zum Greifen nah

Partei und Bewegung in einem: Podemos ist der neue Stern am politischen Horizont des Landes. Ein Besuch bei der Basis in San Blas.

Katalanische Unabhängigkeitsbewegung: Die tragische Woche

Wie ein offenes Buch führt das Born Centre Cultural ins Barcelona des 18. Jahrhunderts – mitten hinein ins Urtrauma der Katalanen.

Kolumne Gott und die Welt: Aktueller Revisionismus

Die Zeit ethnischer Nationalstaaten ist längst nicht vorbei. Postkoloniale Theorien sollten in dieser Hinsicht wenigstens präzisiert werden.

Abstimmung in Katalonien: Deutliche Mehrheit gegen Spanien

Rund 80 Prozent der Katalanen stimmen für eine Abspaltung. Madrid erkennt die Abstimmung aber nicht an. Nun fordert Regionalpräsident Mas ein Referendum.

Unabhängigkeitspläne in Katalonien: Eine hoch symbolische Abstimmung

Eine Art Volksbefragung soll das verbotene Referendum über die Unabhängigkeit ersetzen. Der Ausgang steht schon fest.

Kataloniens Regionalregierung: Bürgerbefragung statt Referendum

Der für den 9. November geplante Volksentscheid über eine Loslösung von Spanien findet doch nicht statt. Die Bürger sollen trotzdem befragt werden. Unklar ist, zu was.

Demos für ein Referendum: Katalanen wollen wählen

Das Verbot einer Unabhängigkeitsabstimmung durch das spanische Verfassungsgericht akzeptieren die Katalanen nicht. Zehntausende fordern ein Referendum.