taz.de -- Dokufilm „Kinder auf der Flucht”: Eine gefährliche Reise
Jedes Jahr begeben sich Kinder aus Zentralamerika auf die Reise in die USA. Auf dem Weg drohen Raub, Tod und Vergewaltigung.
„Jedes Jahr nimmt die Grenzwacht 100.000 Kinder fest, die versucht haben, in die USA zu gelangen.“ So der sparsame Off-Komentar in „Kinder auf der Flucht”. Am Dienstag zeigt 3sat die Dokumentation, in der ein Filmteam sieben Kinder aus Honduras und Guatemala auf ihrer illegalen Reise in Richtung US-Grenze begleitet.
Wenn sie überhaupt soweit gelangen. Das Dach eines maroden Güterzugs in Zentralamerika ist offenbar so gefährlich wie ein überfülltes, nicht hochseetüchtiges Boot auf dem Mittelmeer. Die Wüste, die Zugräder, die Schlepper, die Polizisten. Raub, Tod, Vergewaltigung, Verstümmelung. Aber wofür? Was erwarten sich die Kinder in den USA?
Der 17-jährige Yurico hat keine Eltern: „Vielleicht kann ich dort adoptiert werden.” Die erst neunjährige Olga hofft, in Minnesota Mutter und Schwestern zu finden. Der 13-jährige Juan Carlos will nach New York zu seinem Vater, den er seit neun Jahren nicht gesehen hat. Sein neunjähriger Bruder ist bereits seit einem Monat bei der Großmutter Gloria in Los Angeles. Sie hatte Schleppern 3.500 Dollar dafür bezahlt.
Ihre Tochter, Juan Carlos’ Mutter, hatte sie in Guatemala zurückgelassen als diese ein Jahr alt war. In den zwölf Jahren bis zum ersten Wiedersehen blieben die Muttergefühle auf der Strecke. Gloria: „Wir verlassen unsere Kinder und kommen hierher, um für sie zu kämpfen. Aber wir verlieren ihre Liebe. Das ist der Preis, den wir an dieses Land bezahlen.“ Frage: „Glaubst du immer noch, dass es das wert war?“ Gloria: „Nein.“
Der Film, an dem Regisseurin Rebecca Cammisa sechs Jahre gearbeitet hat und der von John Malkovich koproduziert wurde, war für den Dokumentarfilm-Oscar nominiert. Er ist ein sehr guter, sehr, sehr trauriger Film, der nichts ausspart und dem Zuschauer nichts erspart.
25 Nov 2014
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