taz.de -- Reaktionen Neujahrsansprache Merkel: Ruhig öfter Klartext reden

In ihrer Neujahrsansprache fand Bundeskanzlerin Angela Merkel deutliche Worte gegen Pegida, ohne den Namen zu nennen. Die Opposition lobt. Die AfD ätzt.
Bild: „Folgt denen nicht“: Die Kanzlerin warnte in ihrer Rede vor Pegida

BERLIN dpa | Die Opposition im Bundestag hat die scharfe Kritik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Anti-Islam-Bewegung Pegida einhellig begrüßt. Widerspruch zu Merkels Neujahrsansprache kam lediglich von der rechtskonservativen Alternative für Deutschland (AfD), die sich schützend vor die Pegida-Demonstranten stellte.

„Sie verurteilt Menschen von oben herab, die sie gar nicht kennt“, sagte der AfD-Fraktionschef im Brandenburger Landtag, Alexander Gauland, an Merkels Adresse. Ihre Kritik an den Kundgebungen der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) werde der Protestbewegung noch mehr Zulauf bescheren, prognostizierte Gauland. Der AfD-Politiker hatte selbst im Dezember als „Beobachter“ an einer Dresdner Pegida-Demonstration teilgenommen.

Merkel warnte die Deutschen in ihrer Neujahrsansprache davor, den Slogans den offensichtlich von Vorurteilen und Hass getriebenen Organisatoren der Anti-Islam-Proteste auf den Leim zu gehen. Sie sagte: „Heute rufen manche montags wieder 'Wir sind das Volk'. Aber tatsächlich meinen sie: Ihr gehört nicht dazu – wegen Eurer Hautfarbe oder Eurer Religion.“ Den Namen „Pegida“ nannte Merkel nicht.

Der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck verteidigte die Kanzlerin gegen die AfD-Kritik. Gauland habe mit dem Angriff auf Merkel „seine Maske fallen lassen und das wahre Gesicht der AfD offenbart“. Unter den Pegida-Demonstranten seien Holocaust-Verharmloser, obskure Persönlichkeiten und Kader rechtsextremer Gruppen. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter: „Merkel hat Recht: Ein paar Pegida-Anhängern darf Deutschland seine Weltoffenheit und Liberalität nicht opfern!“

Worte und Taten

Grüne und Linke forderten die Kanzlerin auf, ihren Worten nun Taten folgen zu lassen. „Frau Merkel sollte nicht nur in ihrer Neujahrsansprache mal klare Kante zeigen, sondern auch im Parlament und in ihrer täglichen Politik. Regieren statt präsidieren, mehr Klarheit statt Nebel – das wäre für Frau Merkel doch ein guter Vorsatz für 2015“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt.

Es sei richtig, dass die Kanzlerin und CDU-Chefin vor der Anti-Islam-Bewegung Pegida gewarnt und zu mehr Menschlichkeit im Umgang mit Flüchtlingen aufgerufen habe. Dazu passe aber nicht die Ankündigung der Schwesterpartei CSU, Abschiebungen zu beschleunigen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hatte im Münchner Merkur erklärt, er wolle dafür sorgen, dass abgelehnte Asylbewerber künftig schneller in ihre Heimatländer zurückkehren.

##

Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Jan Korte, nannte Merkels Abgrenzung von Pegida „begrüßenswert“. Diesen Kurs hätten aber nicht alle Unionspolitiker verinnerlicht. „Während Angela Merkel die Selbstverständlichkeit betont, dass Flüchtlinge in Deutschland Zuflucht finden, bedient die Union in Bayern und Sachsen mit einer Verschärfung der Asyl- und Abschiebepraxis genau jenen Hass, der auf den Pegida-Demonstrationen gegen Flüchtlinge geschürt wird.“

Lob für ihre Äußerungen zu Pegida erhielt Merkel auch von der Internationalen Islamischen Organisation für Bildung, Wissenschaft und Erziehung (Isesco) mit Sitz in Rabat. Der saudische Isesco-Generaldirektor, Abdelasis Al-Tuwairi, rief alle europäischen Regierungen auf, die Verunglimpfung von Religionen zu verhindern, um für mehr Toleranz und ein friedliches Zusammenleben zu sorgen.

1 Jan 2015

TAGS

Flüchtlinge
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Pegida
Opposition
Neujahrsansprache
CSU
Schwerpunkt Pegida
Flüchtlinge
Schwerpunkt Angela Merkel
Ukraine
Schwerpunkt Pegida
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Türkei

ARTIKEL ZUM THEMA

CSU über Flüchtlinge: Schneller abschieben

Die CSU-Bundestagsabgeordneten wollen rigider gegen Asylbewerber vorgehen. Der sozialdemokratische Koalitionspartner widerspricht.

Vorfall bei Pegida-Demo: Angriff unter Applaus

In Dresden sollen Pegidisten migrantische Jugendliche angegriffen haben. Eine Strafanzeige wollte die Polizei jedoch nicht aufnehmen.

CSU über Flüchtlinge: Schnellverfahren für Asylbewerber

Abschieben und ausbilden: Asylverfahren sollen beschleunigt werden. Gleichzeitig will die CSU anerkannte Flüchtlinge besser an den Arbeitsmarkt heranführen.

Kommentar zur Neujahrsansprache: Die Klartext-Kanzlerin

Angela Merkel findet in ihrer Neujahrsansprache deutliche Worte zu Pegida. Sie spricht von Vorurteilen, Kälte und Hass. Nicht schlecht, Frau Bundeskanzlerin!

Neujahrsansprache in Moskau und Kiew: Krim-Annexion ist „Meilenstein“

Der russische Präsident Putin nennt die Krim-Annexion einen „Meilenstein in der vaterländischen Geschichte“. Ukraines Präsident beschwört den Westkurs.

Kritik nimmt zu: Pegida konkurriert mit Social Freezing

Die CSU trage eine Mitschuld am Erfolg der Pegida, sagt Grünen-Chefin Simone Peter. Außerdem könnte Pegida das „Unwort des Jahres“ werden.

Neujahrsansprache Angela Merkel: Kritische Worte gegen Pegida

Die Kanzlerin verurteilt mit Blick auf die Demos in Dresden den „Hass in den Herzen“. Die AfD nutzt ihre Chance und springt der Pegida-Bewegung bei.

Medien in der Türkei: Was ist schon Pegida?

Die Demonstrationen in Dresden sind in der Türkei kein Thema. Dass der Westen Muslime hasst, ist für Präsident Erdogan sowieso klar.