taz.de -- Mögliche US-Waffenlieferungen an Kiew: Der Kreml schweigt
Russlands Führung kommentiert Berichte über mögliche Lieferungen von US-Kriegsgerät in die Ukraine nicht. Nur Obamas Rhetorik wird kritisiert.
MOSKAU taz | Moskau hält sich bedeckt. Der Bericht der New York Times über potentielle Waffenlieferungen an die Ukraine, der seit Montag weltweit für einigen Gesprächsstoff sorgte, wurde weder im Kreml noch im russischen Außenministerium offiziell zur Kenntnis genommen. Die Zeitung zitiert eine Studie von Diplomaten, Militärs und Experten verschiedener US Think-Tanks, die angesichts der katastrophalen Lage der ukrainischen Armee Washington nahelegen, Kiew nun auch mit letalen Waffen zu versorgen.
Außenminister Sergej Lawrow, der Montag auf einem Außenministertreffen in Peking weilte, ging auf den Bericht nicht ein. Stattdessen beklagte er sich über die kämpferische Rhetorik von US-Präsident Barack Obama, der dem TV-Sender CNN am Wochenende ein Interview gegeben hatte. Washington würde Kiews Kurs, den Ukraine-Konflikt gewaltsam zu lösen, weiterhin unterstützen, anstatt zum Dialog aufzurufen, so das Fazit des Ministers.
Auch die bekannteren Außenpolitiker der Duma, sonst keineswegs öffentlichkeitsscheu, gaben keine Stellungnahme ab. Lediglich Franz Klinzewitsch, der für die Kreml-Partei Einiges Russland im Verteidigungsausschuss der Duma sitzt, äußerte sich. „Dass die USA bereits Waffen in die Ukraine liefern, tödliche Waffen, ist uns natürlich bekannt“, meinte er. Nun ginge es aber um andere Größenordnungen.
Der Rüstungsexperte des „Moscow Defense Brief“, Michail Barabanow, sieht unterdessen in der Debatte über Waffenlieferungen einen „Ersatzfetisch“ sowie ein Zeichen amerikanischer Schwäche. Die Gespräche über Lieferungen sollten Washingtons mangelnden Einfluss kaschieren. Auf das militärische Geschehen in der Ukraine könnten die USA nicht einwirken, sagte er der Zeitung Wedomosti. Waffenlieferungen würden überdies Russland noch weiter in den Krieg hineinziehen. Das wollten die USA jedoch vermeiden.
„Schritt hin zur offenen Konfrontation“
„Sollte es tatsächlich zu Lieferungen kommen, wäre dies ein Schritt zur offenen Konfrontation“, meint der Militärexperte Alexander Golz. „In der gesamten Periode des Kalten Krieges gab es kein einziges kriegerisches Ereignis in Europa, wo Russland und die USA jeweils eine der Konfliktparteien unterstützt hätten“.
Stellvertreterkriege hätten weit weg von Europa stattgefunden – von Afghanistan oder Vietnam bis Nicaragua. Mit den Rüstungsgütern müssten auch US-Ausbilder und Berater in die Ukraine entsandt werden, so Golz.
Wie Russland reagieren würde, wenn sich vor seinen Augen plötzlich die Nato breit mache, bedürfe keiner ausgeklügelten Phantasie. Noch hält Goltz die amerikanischen Überlegungen daher auch für hypothetisch. Ähnlich sieht es wohl auch die politische Führung, die sich zu Spekulationen nicht hinreißen ließ.
3 Feb 2015
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Angst in Russland vor den Folgen der fehlenden Einnahmen ist groß. Und fast jeder glaubt, dass der Westen sich gegen das Land verschworen habe.
Ein souveräner, international anerkannter Staat hat die Pflicht, gegen Gewaltakteure vorzugehen. Wer dieses Recht abspricht, unterstützt Straflosigkeit.
Separatisten und Militär richten einen humanitären Korridor im Donbass ein: Eine Feuerpause ermöglicht die Evakuierung der umkämpften Stadt Dabelzewe.
Die Mobilisierung der Kiewer Regierung läuft nicht so wie geplant. Viele versuchen, sich dem Kriegsdienst zu entziehen und verlassen ihre Heimat.
Ein militärisches Eingreifen des Westens in der Ukraine ist abwegig. Umso wichtiger ist der Versuch, eine diplomatische Lösung zu finden.
Der US-Außenminister reist heute zu Gesprächen in das Land; ob Waffen geliefert werden ist unklar. Die Gefechte im Osten gehen unvermindert weiter.
Die Separatisten haben eine Offensive gestartet. Das Dauerfeuer rund um Lugansk und Donezk behindert die Evakuierung der Zivilisten. Beide Seiten melden viele Tote.
Die US-Debatte über Waffen für die Ukraine riecht nach Verstetigung des Konflikts mit Russland. Diplomatische Lösungen werden so torpediert.
Die USA wollen „in der nahen Zukunft“ keine Waffen liefern, sich aber die Option offen halten. Außenminister Steinmeier lehnt eine militärische Lösung vehement ab.
Bislang hatten die USA nur „nicht-tödliches Material“ geliefert. Nun ist Außenminister Kerry „offen“ für Gespräche über Waffenlieferungen an die ukrainischen Truppen.