taz.de -- Kommentar Griechenland: Tränen und die Tücken der Realpolitik
Wie wird Alexis Tsipras gegenüber der EU agieren? Die Rede des Syriza-Chefs brachte keine Klarheit. Stattdessen: viel Pathos für die Parteibasis.
Fast neunzig Minuten dauerte [1][die Regierungserklärung von Ministerpräsdient Alexis Tsipras], am Ende seiner Rede war der erste linke Ministerpräsident Griechenlands den Tränen nahe. Seine Anhänger waren gerührt, politische Gegner fühlten sich eher an die langen Ausführungen Fidel Castros erinnert.
Wer von dieser Rede ein klares Bild der künftigen Verhandlungstaktik gegenüber den europäischen Partnern erwartet hat, fühlte sich eher enttäuscht – auch wenn sich Tsipras optimistisch gab, in den nächsten zwei Wochen eine Einigung mit den Kreditgebern erreichen zu können. Doch zwischen den Zeilen werden die Tücken der Realpolitik für Tsipras immer deutlicher erkennbar.
Bestes Beispiel war sein zentrales Wahlversprechen, den Mindestlohn in Griechenland auf 750 Euro monatlich anzuheben: War noch vor dem Urnengang die Rede von einer „unverzüglichen‟ Lohnanpassung, sprach die Linkspartei nach der Wahl von einer sechsmonatigen Vorbereitungszeit. Und nun erklärt Premier Tsipras höchstpersönlich, dieses Wahlversprechen „bis 2016‟ umsetzen zu wollen. So weit, so gut.
Tsiprasʼ Rede war nicht zuletzt an die Parteibasis gerichtet, die zusammengeschweißt werden muss, angesichts schwieriger Entscheidungen in nächster Zeit: Gespräche mit den internationalen Kreditgebern, Wahl eines neuen Staatspräsidenten, Neugründung des staatlichen Fernsehens ERT, Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts.
Programmiert erscheint in diesem Zusammenhang der Konflikt mit dem kuriosen Koalitionspartner, der rechtspopulistischen Gruppierung „Unabhängige Griechen‟. Diese weigert sich nämlich vehement, Zuwandererkinder der zweiten Generation, die in Hellas geboren und aufgewachsen sind, die griechische Staatsangehörigkeit zu gewähren.
9 Feb 2015
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