taz.de -- Crash der Germanwings-Maschine: Airbus-Chef kritisiert TV-Talkshows

Die Ermittler schließen die Möglichkeit eines technischen Defekts des Airbus noch nicht aus. Unternehmens-Boss Enders empört sich über die sogenannten Experten.
Bild: Innehalten: Rettungskräfte vor einer Gedenktafel für die Opfer in Le Vernet, Frankreich.

PARIS/DÜSSELDORF dpa/afp | Sechs Tage nach dem Absturz des Germanwings-Flugzeugs in Frankreich rätseln Hinterbliebene und Öffentlichkeit weiter über die Hintergründe. Die Ermittler machen den Copiloten für die Katastrophe mit 150 Toten verantwortlich. Doch weder über mögliche Motive des 27-Jährigen noch über die Art seiner akuten Erkrankung wollten sich die Behörden bis zum Sonntag äußern.

Französische Ermittler untersuchen darüber hinaus auch die Möglichkeit eines technischen Defekts des Airbus. „Derzeit kann die Hypothese eines technischen Fehlers nicht ausgeschlossen werden“, sagte der Chef der in Düsseldorf eingesetzten französischen Ermittler, Jean-Pierre Michel, am Samstag dem Sender BFMTV. Die Ermittlungen gingen voran, es fehlten aber noch „technische Details“. Genauere Erkenntnisse über das Geschehen im Flugzeug vor dem Absturz erhoffen sich die Experten vor allem vom zweiten Flugschreiber, der immer noch am Absturzort gesucht wird.

Der Vorstandsvorsitzende des Luftfahrtunternehmens Airbus, Tom Enders, übt unterdessen scharfe Kritik an den Fernseh-Gesprächsrunden über den Absturz des Germanwings-Flugzeugs. „Was wir kritisch hinterfragen sollten, ist das Unwesen, das manche 'Experten' vor allem in TV-Talkshows treiben“, sagte Enders der Bild am Sonntag. „Teilweise wurde dort ohne Fakten spekuliert, fantasiert und gelogen“, sagte Enders. „Oft hanebüchener Unsinn. Das ist eine Verhöhnung der Opfer.“

Der Germanwings-Airbus mit 150 Menschen an Bord war am Dienstag in den französischen Alpen an einer Felswand zerschellt. Nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler wurde der Absturz vom Copiloten bewusst herbeigeführt. „Piloten verdienen auch weiter unser Vertrauen“, sagte Enders. „Ein schwarzes Schaf macht noch keine Herde.“ Piloten seien in der Regel „sehr zuverlässig“ und „erstklassig ausgebildet“.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will mit Fluggesellschaften und Aufsichtsbehörden über mögliche Konsequenzen aus dem Crash beraten. „In der Luftfahrt gelten hohe Sicherheitsstandards, die aber auch immer wieder einer Weiterentwicklung bedürfen“, sagte Dobrindt der Bild am Sonntag. „Erst der Blick auf die Gesamtumstände des Unglücks wird Aufklärung über weitere notwendige Konsequenzen geben können. Wir stehen deswegen auch mit den Airlines und den beteiligten Organisationen in intensivem Kontakt.“

29 Mar 2015

TAGS

Medien
Flugzeugunglück
Airbus
Germanwings
Germanwings
PR-Agenturen
Düsseldorf
Flugzeugabsturz
Germanwings
Flug 4U-9525
Germanwings
Trauer
Amoklauf
Germanwings

ARTIKEL ZUM THEMA

Händler nach „Bild“-Boykott bedrängt: Springer oder nichts

Wegen der Berichterstattung zum Germanwings-Absturz boykottieren mehrere Händler die „Bild“. In der Folge wurden sie unter Druck gesetzt.

Public Relations im Ausnahmezustand: Der Fall der Fälle

Abstürze, Unfälle, Erpressungen: Konzerne bereiten sich mit Krisentrainings auf Katastrophen vor, um im Notfall schnell reagieren zu können.

Flugzeugkatastrophe Germanwings: Ermittlungsergebnisse zu Copiloten

Andreas L. soll vor dem Erwerb des Pilotenscheins wegen Selbstgefährdung in Behandlung gewesen sein. Hinweise auf ein Tatmotiv gebe es jedoch bislang nicht.

Flugzeug-Crash in Südfrankreich: DNA von 78 Opfern identifiziert

Der zweite Flugschreiber des zerschellten Airbus bleibt weiterhin unauffindbar. Derweil wird über die Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht bei Piloten diskutiert.

Ethik und Journalisten in Montabaur: Dann gehen sie wieder

Reporter und Kamerateams aus der halben Welt sind in die Heimatstadt des Germanwings-Kopiloten Andreas L. gereist. Eine Beobachtung der Beobachter.

Germanwings-Crash: Das hätte man doch merken müssen!

Die Aufarbeitung beginnt. Mit unsinnigen Forderungen. Wenn Gesellschaften nach unfehlbaren Vorbildern suchen, ist das selten erfreulich.

Flugzeugcrash in Frankreich: Trauerfeier im April im Kölner Dom

Die Suche nach den Opfern der Germanwings-Maschine in Frankreich dauert an. Eine Trauerfeier ist für den 17. April geplant. Angehörige erhalten von Lufthansa Soforthilfe.

Kolumne Der Rote Faden: Wenn nichts hilft, hilft Hitler

Es gibt das neue Genre der Cockpittürenanalyse. Suizid ist ein Verbrechen. Und Trauer wird besser vom Zettel abgelesen. Ein Wochenrückblick

Journalistische Ethik und Katastrophen: Es ist furchtbar

Der Umgang mit dem Germanwings-Crash ist eine journalistische Herausforderung. An ihr zeigt sich, wie weit der Boulevard zu gehen bereit ist.

Germanwings-Flugzeugkatastrophe: Stress für Stewardessen und Piloten

Airlines verpflichten sich zum Vieraugenprinzip, Piloten dürfen im Cockpit nicht mehr allein sein. Flugbegleiter befürchten noch mehr Arbeit.