taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Emanzen, die nackt tanzen

Die „Emma“ will für Frauensolidarität stehen und bekommt Kloppe auf Twitter. Da ist mancher Teebeutel schon weiter.
Bild: Zur 50. „Luft und Liebe“-Kolumne: Beyoncé mit goldenem Glitzer.

Es gibt sie, die dummen Fragen. Die Emma fragt auf ihrer aktuellen Titelseite: [1][„Beyoncé: Emanze oder Schlampe?“] Beyoncé Knowles hat bei den MTV Video Music Awards im August [2][vor einer Leinwand gesungen], auf der groß „Feminist“ stand. Hoppla, fragt die Emma, geht das klar? Und bringt – immerhin – zwei Texte, Pro und Contra: Ja, geht klar, schreibt Alexandra Eul (34), „etwas Besseres kann dem Feminismus nicht passieren“. Und nee, geht nicht klar, schreibt Chantal Louis (45), weil Beyoncé halb nackt an Stangen tanzt und aussieht „wie per Photoshop gemeißelt“.

Selten konnte man den Konflikt zwischen altem und neuem Feminismus so schön auf zwei Seiten komprimiert sehen. Wäre die Emma auf dem neuesten Stand feministischer Diskussionen, wüsste sie, dass es Schlaueres gibt, als wenn [3][weiße Frauen women of color sagen], wie sie mit ihren Körpern umzugehen haben.

Gleichzeitig startete die Emma eine Aktion, bei der Leserinnen unter dem Hashtag [4][#EMMAistfürmich] sagen sollten, was die Emma für sie ist. „[5][Frauensolidarität]“, sagt eine Abonnentin, und das ist im Kontext mit der Beyoncé-Frage natürlich ziemlich witzig.

Und weil so ein Hashtag zweckentfremdet werden kann, schnappten sich Feministinnen, die mit der Emma nicht einverstanden sind, das Hashtag #EMMAistfürmich und schrieben, was sie von der Emma halten: „[6][rassistisch]“, „[7][überholt, reaktionär, verletzend]“, „[8][nach unten tretend, Leute vor den Bus werfend, paternalistisch]“, „[9][sexnegativ]“, „[10][transfeindlich, prostituiertenfeindlich]“, „[11][supernervig]“. Und so weiter.

Ausgerechnet Beyoncé

Während ich das schreibe, trinke ich einen Tee, auf dessen Verpackung steht: „Leave the tea to brew for three to five minutes, or until you think it’s ready.“ Dieser Teebeutel ist politisch weiter als die Emma. Denn es muss ein Hauptanliegen des Feminismus sein, gegen Bevormundung zu kämpfen und Frauen – und alle anderen – selbst entscheiden zu lassen, was sie tun, wie sie aussehen und welche Kulturtechniken sie sich aneignen.

In einer Gesellschaft, in der Frauen immer noch stärker als Männer nach ihrem Äußeren bewertet werden, muss Feminismus bedeuten, keiner einzigen Frau mehr zu sagen: „Ach, guck an, wie du aussiehst, anscheinend bist du untervögelt/überfressen/unterdrückt/übertrieben blöd.“ Freiheit kann verschiedene Formen annehmen. Freiheit kann für eine Frau heißen, nackt zu tanzen. Oder in Hosen zu gärtnern. Oder mit Kopftuch zu lesen.

Beyoncé als Schlampe zu bezeichnen ist sogenanntes „Slut Shaming“; das ist die Unart, Menschen, vor allem Frauen, dafür zu verurteilen, wie und wie oft sie ihre Sexualität ausleben. Ausgerechnet Beyoncé – laut Forbes-Magazine einflussreichste Künstlerin 2014 –, die immer wieder [12][Frauen] und ihre [13][Macht], ihr [14][Begehren] und ihre [15][Kämpfe] thematisiert.

Ich hätte gern meine 50. „Luft und Liebe“-Kolumne über etwas anderes geschrieben, als wie Feministinnen sich kloppen. Frauensolidarität wär schön. Aber von mir aus kann die Emma so weitermachen. Um es mit [16][Beyoncé] zu sagen: „Keep talking that mess, that’s fine / But could you walk and talk, at the same time? […] Don’t you ever for a second get to thinking you’re irreplaceable.“

6 Nov 2014

LINKS

[1] http://www.emma.de/artikel/emanzen-oder-schlampen-317929
[2] http://www.sueddeutsche.de/kultur/beyonce-und-der-feminismus-verbeugt-euch-1.2111772
[3] http://battymamzelle.blogspot.de/2014/02/The-Beyonce-Conversation-Black-Women-Feminism-And-The-Presumption-Of-Sexual-Agency16.html#.VFnIkxYdzZ4
[4] http://twitter.com/EMMA_Magazin/status/529665193580974081
[5] http://www.youtube.com/watch?v=Iwucwuob8gI
[6] http://twitter.com/NiniaLaGrande/status/529656135071301634
[7] http://twitter.com/iwedaan/status/529653511731294208
[8] http://twitter.com/Stadtgespenst/status/529665890124845056
[9] http://twitter.com/FrlUrban/status/529666439624806400
[10] http://twitter.com/MmeCoquelicot/status/529658168289554432
[11] http://twitter.com/Tugendfurie/status/529660091814137857
[12] http://www.youtube.com/watch?v=enaXzyTFZgc
[13] http://www.myvideo.de/watch/8144051/Beyonce_Run_The_World_Girls
[14] http://www.clipfish.de/musikvideos/video/4036738/beyonce-drunk-in-love/
[15] http://www.youtube.com/watch?v=LXXQLa-5n5w
[16] http://www.youtube.com/watch?v=2EwViQxSJJQ

AUTOREN

Margarete Stokowski

TAGS

Luft und Liebe
Feminismus
Beyoncé
Emma
Kolumne Habibitus
Schönheitsideale
Schwerpunkt Pegida
Brüste
Sex
Luft und Liebe
Feminismus
Feminismus
Luft und Liebe
Luft und Liebe
Luft und Liebe
Luft und Liebe
Luft und Liebe
Luft und Liebe
Luft und Liebe

ARTIKEL ZUM THEMA

Kolumne Habibitus: Von Beyoncé lernen

103 Euro, die es absolut wert waren: Unsere Autorin sieht eines von nur zwei Deutschlandkonzerten der großen Beyoncé und ist hingerissen.

Cindy Crawford ohne Photoshop: Spuren der Zeit

Im Netz ist ein unretuschiertes Foto von Cindy Crawford aufgetaucht. Es wird als Statement gegen den Jugendwahn gefeiert.

Kolumne Luft und Liebe: Resteficken bei Pegida

Verliebt euch, Pegida-People! Euer anderes Projekt ist gescheitert. Seid nicht so streng mit euch, seid mehr wie Häschen. Ein Aufruf.

Kolumne Luft und Liebe: Alle nackt, aber wirklich alle

Kein „Page Three Girl“ mehr? Die Brüste der britischen „Sun“ ziehen ins Internet. Das ist asozial und unlogisch.

Kolumne Luft und Liebe: Keine Frage des Pimperns

Prinz Andrew und Bill Cosby wird Vergewaltigung vorgeworfen. Warum die Rede von „Sex-Skandalen“ und „Sex-Vorwürfen“ sehr falsch ist.

Kolumne Luft und Liebe: Nackt einparken in der Wortwolke

Zum Jahresende wird unsere Autorin besinnlich und schmökert im Duden. Sie sucht den Genderwahn und wird nicht fündig.

Laurie Penny über Feminismus: Frauen ist nicht erlaubt, rumzuvögeln

Die Journalistin beschreibt in ihrem neuen Buch, wie Frauen über ihre Sexualität kontrolliert werden und weshalb Liebe unsere neue Religion geworden ist.

Feminismus-Debatte: Wir brauchen keinen Zumba-Jesus

Unwitzig, für Männer abschreckend und ohne weise Führung? So leicht lässt sich der neue Feminismus nicht abwatschen. Eine Replik.

Kolumne Luft und Liebe: Kampfplatz mit Brüsten

Sorry, Frauen, euer Körper gehört euch nicht. Ob angezogen, ob nackt: Es ist unwahrscheinlich, dass ihr mit ihm das Richtige tut.

Kolumne Luft und Liebe: Dieser schwule Schnickschnack

Es braucht keine „Pick-up-Artists“, wenn es um Gender-Stereotype geht. Fragen Sie einfach mal Berliner Oberstufenschüler.

Kolumne Luft und Liebe: Friert mich einfach ein

Aus Panik wird Profit geschlagen. Die westliche Männlichkeit greift zu den Waffen. Die Autorin möchte bitte zur Tiefkühlkost gelegt werden.

Kolumne Luft und Liebe: Kommentarloses Kopulieren

Kalifornien hat ein neues Gesetz für einvernehmlichen Sex. Wie haben eigentlich die Leute Sex, die sich über „Yes means yes“ aufregen?

Kolumne Luft und Liebe: Wie man einen Dildo befriedigt

Die „Jolie“ hat die taz in ihren Sextipps angesprochen. Nun antwortet die taz. In Ruhe. Es scheint um Satire zu gehen.

Kolumne Luft und Liebe: Dann nimmt man sie halt nackt

Eifersucht, Endoskopie und Esoterik: Mit Frauen lässt sich alles dekorieren. Eine kurze Recherche bei „Focus“, „Stern“ und „Spiegel“.

Kolumne Luft und Liebe: Wahn und Schmodder

Breaking News im „Zeit“-Feuilleton: Die Welt ist kompliziert. Und im Internet gibt es gleichzeitig Feministinnen und krasse Pornos.