taz.de -- Telekom drosselt DSL-Flatrates: Die eigenen Dienste fördern

In Zukunft soll es Flatrates nur noch mit festgelegtem Datenvolumen geben. Die Videodaten der Telekom-Plattform zählen allerdings nicht zum Limit.
Bild: Mit T-Mobiles „UNLIMITED Internet Max“ gibt es für den Nutzer Internet „unbegrenzt“. Und zwar ganze 6 GB davon.

KÖLN taz | Mit einer [1][aufsehenerregenden Ankündigung] versucht die Deutsche Telekom den Providermarkt umzukrempeln. In Zukunft soll es für Privatkunden im Festnetz nur noch – ähnlich wie im Mobilfunk – ein festgelegtes Datenvolumen mit der vollen Geschwindigkeit geben. Danach wird die Geschwindigkeit heruntergedrosselt. Ein Ende der Internet-Flatrate?

Den Schritt begründet der Bonner Konzern mit den hohen Kosten für den Netzausbau: „Wir wollen den Kunden auch in Zukunft das beste Netz bieten und dafür investieren wir weiterhin Milliarden“, erklärt Telekom-Manager Michael Hagspihl. Die Umsatzrenditen für das reine Providergeschäft nehmen seit Jahren ab, deshalb bemüht sich der Konzern um neue Einnahmequellen.

Die Drosselung ist einerseits eine Preiserhöhung: Wer bisher mehr Datenvolumen als die je nach Tarif vorgesehenen 75 bis 400 Gigabyte braucht, soll in Zukunft extra zahlen. Wie viel das Aufstocken kosten wird, ist allerdings noch unklar: Erst 2016 will der Konzern mit der tatsächlichen Umsetzung der Tarifdrosselung beginnen. Vorerst werden nur die Verträge angepasst: Privatkunden bekommen ab Mai nur noch Anschlüsse mit Limitierung.

Gleichzeitig ist der Schritt offenbar der Versuch, die Anbieter von Internetdiensten zur Kasse zu bitten. Seit Jahren hat sich der Konzern darum bemüht zum Beispiel von YouTube Sonderzahlungen zu bekommen, um das riesige Datenvolumen zu finanzieren, das die Videoplattform verursacht.

Telekom will kassieren

Bei Google und anderen Anbietern biss die Telekom im Verbund mit anderen Providern auf Granit. Denn noch ist das Internet nach dem „best efforts“-Prinzip organisiert: Google zahlt seine Provider für Anbindung und Datenverkehr. Andere Provider sind verpflichtet, diesen Datenverkehr nach besten Kräften weiterzuleiten – egal woher ein Datenpaket kommt oder an wen es geht.

Leidtragende sind die Verbraucher. So beklagen sich Telekom-Kunden seit Jahren, dass sie YouTube-Videos zu bestimmten Zeiten nur mit Stocken und Wartezeiten ansehen können. Zwischenzeitlich hatte die Telekom auf öffentlichen Druck die Anbindung verbessert – derzeit sind die Beschwerden allerdings wieder laut.

Mit der Tarifreform will die Telekom offenbar auch das eigene Video-Angebot namens Entertain unterstützen. Denn die Videodaten von der Telekom-Plattform zählen nicht zu dem Limit dazu, die der Konkurrenz von YouTube, oder aus den Mediatheken der Sender sehr wohl.

Netzneutralität abgeschafft

„Für uns ist klar: die Deutsche Telekom will den Kunden das, was vorher im Tarif enthalten war, als Zusatzservice noch einmal verkaufen und schließt daher ihre Mitbewerber vom Anschluss aus“, sagt Markus Beckedahl, Vorstand des Berliner Vereins Digitale Gesellschaft. Die Drosselung auf 384 Kilobit pro Sekunde sei Augenwischerei: „De facto ist das eine Sperre und ein Ausschluß vom Internet.”

Denn war diese Bandbreite zu Zeiten des Analog-Modems noch mehr als großzügig, ist sie nach heutigen Standards das absolute Minimum. Video-Anrufe mit Skype in niedriger Auflösung können damit zwar gerade noch gelingen, sofern parallel kein Download läuft. Updates von Windows und iPad ziehen sich ins Endlose, Online-Videotheken und Co kann der Kunde gleich vergessen. Zumindest bis er mehr Datenvolumen kauft oder der neue Monat beginnt.

War die Telekom einst mit der Einführung der Flatrate 1998 einer Vorreiter, scheint sie auch bei der Abschaffung Vorbild für andere zu sein, wie Beckedahl auf [2][seinem Blog netzpolitik.org] bekannt gibt. „Wir haben aus einer verlässlichen Quelle die Information erhalten, dass Vodafone demnächst denselben Schritt gehen wird“, schreibt Beckedahl. Den Schritt der Telekom hatte er an gleicher Stelle ebenfalls korrekt vorhergesagt.

Auf Nachfrage der taz hat Vodafone entsprechende Pläne dementiert: „Aktuell haben wir keine Pläne, die DSL Geschwindigkeit unserer Kunden nach einem bestimmten Verbrauch zu drosseln“, erklärt Unternehmenssprecher Alexander Leinhos.

23 Apr 2013

LINKS

[1] /Telekom-und-Vodafone-ohne-Flatrates/!115001/
[2] http://netzpolitik.org/2013/abschaffung-der-flatrate-vodafone-folgt-der-deutsche-telekom/

AUTOREN

Torsten Kleinz

TAGS

Telekom
Vodafone
Netzneutralität
Vodafone
Flatrate
Internet
Telekom
Peer Steinbrück
Telekom
Netzneutralität
Enquete-Kommission
Netzpolitik
Google

ARTIKEL ZUM THEMA

Vodafone glückt Aktienkauf: Auf der Überholspur

Die Übernahme von Kabel Deutschland durch Vodafone ist so gut wie perfekt. Superschnelle Internetverbindungen sollen dem Markführer Telekom Kunden streitig machen.

Das neue Geschäftsmodell der Telekom: Tschüss, Flatrate

Wer mit der Telekom viel online geht, steht bald vor der Entscheidung: teurer oder langsamer. Muss die Netzneutralität gesetzlich verankert werden?

Kommentar Netzneutralität: Der Markt regelt es nicht

Jahrelang hat die FDP nicht mehr als ihr Marktmantra zum Thema Internet verkündet. Jetzt könnte sie endlich mal aufwachen.

Regierung kritisiert Telekom-Pläne: Warnung vor der Surf-Bremse

Die Telekom hat mit ihrem Plänen für Daten-Obergrenzen im Festnetz die Bundesregierung gegen sich aufgebracht. Im Blickpunkt stehen Nachteile für Wettbewerber.

SPD und Internet: Advocatus digitali

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück soll Kompetenz beim Internet beweisen. Dem Facebook-Chef verpasst er den Namen Zuckerborg.

Kommentar Telekom: Der Gesetzgeber muss einschreiten

Die Telekom plant eine Verletzung der Netzneutralität. Das Internet sollte Daten immer gleich behandeln, egal woher sie kommen.

Telekom ohne Flatrates: Internet wie in den 90ern

Gdüng, Gdüng, Gdüng... die Zeiten des Modems sind vorbei. Doch wenn die Anbieter die DSL-Flatrates abschaffen, ist die Netzneutralität nicht mehr gegeben.

Blogger Markus Beckedahl über Netzpolitik: „Ein Internet-Minister wär sinnvoll“

Politische Prozesse spielen sich zunehmend auf Facebook ab, sagt Beckedahl. Das ist nicht unproblematisch. Und einen Netz-Minister solle es auch geben.

Widerstand der Netzbewegung: Doch kein Haufen Freaks

Zwei wichtige Gesetze sind gegen den Willen der netzaffinen Bürgerrechtsbewegung verabschiedet worden. Die fragt sich nun: Haben wir versagt?

Diskussion um Netzneutralität: Googles neue Orangenhaut

Ein französischer Mobilfunkprovider wird vom US-Konzern für den Datenverkehr in seinem Netz entschädigt. Das ist eine klarer Verstoß gegen die Netzneutralität.