taz.de -- Nach dem Abgasskandal: VW verspricht Kulturwandel

Volkswagen sieht eine kleine Gruppe von Mitarbeitern für den Abgasskandal verantwortlich. Der Konzern verspricht eine neue „Fehlerkultur“.
Bild: Macht grad richtig Spaß, CEO von Volkswagen zu sein: Michael Müller

Berlin taz | Volkswagen will mit einer grundlegenden Neuausrichtung künftig Skandale wie die Abgasaffäre verhindern. „Wir werden es nicht zulassen, dass uns diese Krise lähmt“, sagte Vorstandschef Matthias Müller am Donnerstag in Wolfsburg. Künftig werde der Konzern weniger zentralistisch geführt.

Nötig seien auch ein kooperativer und offener Austausch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern sowie eine neue Fehlerkultur. Fehler zu machen, sei erlaubt – wenn sie anschließend zur Verbesserung genutzt würden.

Bei der Suche nach Verantwortlichen für den weltweiten Skandal um manipulierte Dieselmotoren, mit denen bei Abgastests betrogen wurde, hat die VW-Spitze weiterhin nur einen relativ kleinen Kreis von Verdächtigen im Visier. „Wir halten es für wahrscheinlich, dass nur eine überschaubare Zahl an Mitarbeitern aktiv zu den Manipulationen beigetragen hat“, sagte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Bislang seien neun Mitarbeiter freigestellt worden.

Rund 450 interne und externe Experten arbeiten nach Pötschs Angaben an der Aufklärung des Skandals. Inzwischen habe man über 1.500 elektronische Datenträger von rund 400 Beschäftigten eingesammelt, um Hinweise auf den Ursprung der Affäre zu finden. Ziel sei es, bis zur VW-Hauptversammlung Ende April einen vollständigen Überblick über die Ergebnisse der Untersuchungen zu liefern.

Unzulängliche IT-Struktur

Drei Faktoren hätten zu dem Skandal geführt, so Pötsch: individuelles Fehlverhalten, unzulängliche IT-Infrastruktur im internen Kontrollsystem sowie eine Haltung in Teilen des Konzerns, Regelverstöße zu akzeptieren, um Unternehmensziele zu erreichen. Im konkreten Fall habe es eine Fehlerkette gegeben, „die zu keinem Zeitpunkt unterbrochen wurde“.

VW hatte im September zugegeben, weltweit in rund elf Millionen Dieselmotoren eine Software eingesetzt zu haben, die Daten zum Ausstoß der gesundheitsschädlichen Stickoxidabgase manipuliert. In der Folge stürzte Volkswagen in eine schwere Krise; auch der Aktienkurs sackt massiv ab. Die Auswirkungen auf den Absatz sind laut Vorstandschef Müller bislang nicht dramatisch. In den ersten elf Monaten des Jahres sei konzernweit die Zahl der bestellten Fahrzeuge um 3,5 Prozent gestiegen im Vergleich zum Vorjahr.

Es gebe keine Pläne, eine der Luxusmarken oder eine andere Tochter zu verkaufen, um die Kosten des Skandals – etwa Strafzahlungen und Entschädigungen – zu stemmen. „Wir denken keine Sekunde daran“, sagte Müller in Wolfsburg.

Die Linkspartei kritisierte Volkswagens Unternehmenspolitik. „Der Weg zu einer ökologischen und sozialen Neuausrichtung von VW – und damit zur Zurückgewinnung des Kundenvertrauens – ist noch weit“, sagte die niedersächsische Bundestagsabgeordnete Pia Zimmermann. „Wir brauchen mehr Wirtschaftsdemokratie, orientiert an den Bedürfnissen der Menschen, an der Belastbarkeit der Umwelt – und nicht an der Profitmaximierung der Eigentümer.“

10 Dec 2015

AUTOREN

Richard Rother

TAGS

Dieselskandal
Konzerne
Volkswagen
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Dieselskandal
Dieselskandal
Dieselskandal
Dieselskandal
Dieselskandal
Dieselskandal
Bundestag
General Motors

ARTIKEL ZUM THEMA

Linken-Kandidatin über Arroganz großer Parteien: „Männer drängeln sich nach vorne“

Pia Zimmermann kandidiert erneut für den Bundestag. Die Linke über die Quotenregel und wieso sie Fußballerinnen in den Bundestag einlud

Nach dem Diesel-Skandal: Bayern verklagt VW auf Schadenersatz

Wegen Kursverlusten eines Pensionsfonds plant das Bundesland eine Klage gegen den Autobauer. Es geht um 700.000 Euro.

Fahrzeuge im Tausch gegen Beratung: Nabu bleibt bei VW an Bord

Trotz des Abgasskandals arbeitet der Nabu weiter mit VW zusammen. Dabei hatte er öffentlich erklärt hat, die Kooperation sei ausgelaufen.

Emissionen in der EU: Machtprobe mit der Autolobby

Der Umweltausschuss des EU-Parlaments lehnt verwässerte Abgaswerte für Dieselfahrzeuge ab. Doch im Plenum droht eine Niederlage.

Folgen der VW-Abgas-Affäre: Schärfere Prüfverfahren für alle

Alle großen Autohersteller sollen künftig ihre Motorsoftware offenlegen, meldet „Bild am Sonntag“. Vom BUND kommt scharfe Kritik am Maßnahmenpaket.

Pötsch äußert sich zu VW-Skandal: Fehler, Schwachstellen, Regelverstöße

Der Aufsichtsratschef verspricht konsequente Aufklärung. Für die Manipulationen in seinem Haus hat er eine interessante Erklärung.

CO2-Affäre betrifft viel weniger Autos: VWs Nebelkerze

Im Skandal um geschönte CO2-Werte meldet VW Entwarnung. Doch das ist ohnehin nur ein Nebenskandal. Neues zum „Dieselgate“ gibt es Donnerstag.

Hausausweis-Liste veröffentlicht: Hunderte Lobbyisten im Bundestag

Der Streit um die Veröffentlichung  einer Lobyyistenliste ist vorerst beendet. Welche Interessengruppen Zugang zum Bundestag haben, liegt nun offen.

Manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen: Einfacher, als die Polizei erlaubt

VW will die Motoren mit simplen Maßnahmen sauberkriegen. Wenn das so einfach ist, warum hat der Konzern es nicht früher gemacht?