taz.de -- Googles Absage an Cookie-Tracking: Plan in der Hinterhand
Google will dem lückenlosen Tracking von User:innen ein Ende setzen. Ist das eine glaubwürdige Liebeserklärung an den Datenschutz?
Im Silicon Valley muss diese Nachricht wohl erst einmal verkraftet werden: In einem Blog-Eintrag teilt Google-Produktmanager David Termin der Welt mit, dass der Konzern dem [1][lückenlosen Tracking von User:innen im Netz] ein Ende setzen wird. „Menschen sollten nicht akzeptieren müssen, im gesamten Web getrackt zu werden, um die Vorteile relevanter Werbung zu genießen“, schreibt Temkin in dem am Dienstag [2][veröffentlichten Schreiben] des Konzerns.
Ganz konkret will das Unternehmen schon im April eine neue Version seines Browsers Chrome online stellen, die es den Nutzer:innen ermöglicht, ein Cookie–Tracking komplett auszuschalten.
Die plötzliche Liebeserklärung an alle Datenschützer:innen kündigte sich bereits im vergangenen Jahr an. Anfang 2020 hatte Google erklärt, in den kommenden zwei Jahren in seinem Browser Chrome Cookies von Drittanbietern auf Webseiten blockieren zu wollen. Das hat Auswirkungen auf das ganze Internet, denn Chrome ist der mit Abstand meistgenutzte Webbrowser. Mitunter liegt das daran, dass er auf Handys mit dem von Google entwickelten Betriebssystem Android vorinstalliert ist.
Konkurrenten wie Firefox von Mozilla und Safari von Apple haben bereits seit längerem Anti-Tracking-Methoden integriert. Zudem reagiert der Konzern auch auf die politischen Entwicklungen, denn spätestens mit der seit dem 25. Mai 2018 anwendbaren Datenschutzgrundverordnung der EU (DSGVO) ist klar: Cookies weiterhin zum Tracking zu nutzen wird schwieriger, wenn nicht gar unmöglich. Gleichzeitig laufen alleine in den USA [3][drei kartellrechtliche Ermittlungen gegen Google].
Um was es geht
Zum Verständnis: Cookies sind Datenpakete, die zwischen Computerprogrammen ausgetauscht werden. Prinzipiell wird zwischen den sogenannten First Party und Third Party Cookies unterschieden. First Party bedeutet, dass das Cookie von der besuchten Webseite, auf welcher die User:innen surfen, selbst gesetzt wurde. Third Party Cookies hingegen stammen von Drittanbietern, die beispielsweise Werbung auf der besuchten Seite schalten.
First Party Cookies dürfen nicht an Dritte übermittelt werden. Drittanbieter-Cookies hingegen können an weitere Webseitenbetreiber weitergegeben werden. Aus diesen gesammelten Daten erstellt Google Nutzer:innen-Profile, um personalisierte Werbung zu schalten – die größte Einnahmequelle von Google. Genauer gesagt: [4][52 Prozent aller Anzeigen vereint der Konzern auf sich]. In absoluten Zahlen sind das 292 Milliarden US-Dollar im Jahr.
Um die Euphorie direkt zu dämpfen: Natürlich verzichtet Google nicht einfach auf ein Milliardengeschäft, sondern hat einen Plan in der Hinterhand. Ab dem kommenden Jahr will Google ganze Profile von Nutzergruppen anbieten. Statt personalisierter Werbung für die einzelnen Nutzer:innen soll es so Werbung für ganze Gruppen von Gleichgesinnten geben, die sich für ein und dieselbe Kategorie interessieren.
„Menschen sollten nicht länger das Tracking im Internet akzeptieren müssen, um die Vorteile relevanter Werbung zu nutzen. Und Werbetreibende müssen nicht einzelne Verbraucher quer durchs Web tracken, um die Effizienzvorteile digitaler Werbung zu nutzen“, erklärt Google.
Schlechter Ruf
Ganz nebenbei wird Google das Problem mit den Cookies und deren schlechtem Ruf los. Denn zukünftig sollen die Daten direkt über den Browser gesammelt werden und die Zuteilung einer Gruppe direkt auf dem Rechner der Nutzer:innen geschehen.
Fest steht bis jetzt also nur, dass Third Party Cookies aus dem Netz verschwinden, Werbepartner:innen nun fieberhaft nach Lösungen und Alternativen Ausschau halten werden und das Thema Datenschutz weiterhin bei Google kein unbedenkliches bleibt. Google hingegen hat der Welt nun eine Neuheit präsentiert, deren [5][Kontrolle praktisch vollständig in ihren Händen liegt.]
4 Mar 2021
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