taz.de -- Dreier-Koalition in Österreich: Österreichs neue Regierung ist jetzt startklar

Jetzt haben auch die Mitglieder der Neos, des kleinsten Koalitionspartners, der Koalitionsvereinbarung zugestimmt. Das Kabinett kann vereidigt werden.
Bild: Österreichs designierte Außenministern Beate Meinl-Reisinger freut sich über die Zustimmung der Mitglieder ihrer Neos-Partei

Wien taz | Es war die letzte Ungewissheit am Weg zu Österreichs neuer Regierung: die Mitgliederabstimmung bei den liberalen Neos, dem kleinsten der drei künftigen Koalitionspartner. Sonntagnachmittag schließlich war es klar: 94,1 Prozent stimmten für die Zusammenarbeit mit der konservativen ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ.

Dass das Votum der rund 1.600 abstimmenden Parteimitglieder so eindeutig ausfällt, war nicht absehbar. Die Neos hatten schließlich Anfang Januar die [1][erste Runde der Koalitionsgespräche platzen lassen]. Sie hatten besonders SPÖ-Chef Andreas Babler stark kritisiert, der sich zu wenig kompromissbereit gezeigt habe. Daraufhin nahm die ÖVP [2][Verhandlungen mit der rechtsradikalen FPÖ] auf. [3][Mitte Februar platzten auch diese Gespräche], woraufhin ÖVP, SPÖ und Neos [4][neuerlich in Verhandlungen traten]. Es war also bereits der zweite Anlauf in dieser Konstellation, sieht man vom Führungswechsel in der ÖVP – Parteichef ist nun Christian Stocker statt Karl Nehammer – ab.

„Es ist ein historischer Tag für uns und die Republik“, sagte Neos-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger, die nun als künftige Außenministerin in die Regierung einziehen wird. Für die 2012 gegründete Partei ist es der bisher größte Erfolg. Kritiker wie der ehemalige Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker hatten der Parteiführung zuvor vorgeworfen, ihre Wurzeln zu vergessen.

Die Neos seien „gegen den rot-schwarzen Stillstand und deren Korruption gegründet worden, nicht für deren Vertragsverlängerung“, sagte etwa Loacker. Auch Meinl-Reisinger hatte noch im Januar kritisiert, dass mit SPÖ und ÖVP keine Reformen zu machen seien.

Fürs erste überwiegt die Erleichterung

Angesichts der nur kurz vorm Ziel gescheiterten Alternative einer FPÖ-geführten Regierung zeigten sich die Mitteparteien nun aber kompromissbereiter. Die Neos-Parteispitze hatte zuletzt argumentiert, dass nur durch Regierungsverantwortung echte Veränderung möglich sei.

Nun geht es sehr schnell: Die Vereidigung durch den Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen findet bereits Montagvormittag statt. Bundeskanzler wird dann ÖVP-Chef Christian Stocker, Vizekanzler SPÖ-Parteivorsitzender Andreas Babler. Babler hatte zuletzt an Profil gewonnen, sich etwa bei den Ministeriums-Besetzungen gegen die starke Landesparteigruppe Wien durchgesetzt.

Neuer Finanzminister wird Bablers Wunschkandidat Markus Marterbauer, bis dato Ökonom der SPÖ-nahen Arbeiterkammer. Er gilt, wie Babler, als dezidiert links und setzt sich für mehr Verteilungsgerechtigkeit ein. Auf eine Vermögensteuer, Kernforderung Bablers, konnte sich die neue Koalition jedoch nicht einigen. Leicht wird es auch sonst nicht: Österreich ist rekordverschuldet. Fürs Erste überwiegt aber Erleichterung, dass es endlich eine handlungsfähige Regierung gibt.

2 Mar 2025

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Florian Bayer

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