taz.de -- Doku über Rettungsschiff „Ocean Viking“: Dem Grenzregime zuvorkommen

Regisseur Jean-Baptiste Bonnet begleitete für seinen Dokumentarfilm „Save Our Souls“ das Schiff „Ocean Viking“. Er zeigt die Wichtigkeit der Seenotrettung.
Bild: Einsatz im Mittelmeer: Rettungsaktion in „Save Our Souls“

Mit angespannter Ruhe sucht die Crew der „Ocean Viking“ unablässig mit dem Fernglas den Horizont ab nach Auffälligkeiten, die ein Boot sein könnten. Die Suche beginnt, sobald das Tageslicht es erlaubt, und sie endet, wenn das Licht nicht mehr ausreicht. Dann bleibt nur noch das Radargerät auf der Brücke.

Nur vereinzelt flicht Regisseur Jean-Baptiste Bonnet in seinem Dokumentarfilm „Save Our Souls“ Szenen vom Alltag an Bord ein: ein Crew-Treffen, eine Frau, die einige Sätze Arabisch lernt.

Aber es geht dem Film nicht um die Personen, die die Crew bilden, sondern um die Arbeit, die sie gemeinsam als Besatzung des Schiffs leisten: Menschen vor dem europäischen Grenzregime aus dem Mittelmeer zu retten. Bonnet begleitete die Arbeit an Bord im Frühjahr 2023 knapp anderthalb Monate. „Save Our Souls“ feierte seine Weltpremiere im April 2024 auf dem renommierten Dokumentarfilmfestival Visions du Réel in Nyon.

Zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni lief der Film bereits in einigen Kinos europaweit als Preview, nun bringt der Mannheimer Verleih Drop-Out Cinema den Film regulär in die deutschen Kinos.

Gefährliche Arbeit

Wie gefährlich die Arbeit auf einem Rettungsschiff im Mittelmeer werden kann, zeigt sich, als das erste Mal in dem Film ein Boot gesichtet wird. Die sogenannte [1][libysche Küstenwache] ist schon vor Ort. Als die „Ocean Viking“ auftaucht, beginnt die „Küstenwache“, das Rettungsschiff zu bedrängen und gibt schließlich [2][ohne Vorwarnung Warnschüsse] ab.

Ein ähnliches Fehlverhalten der von der EU unterstützten Miliz auf Booten wiederholte sich diesen Sommer, als sowohl die „Ocean Viking“ als auch die „Sea Watch 5“ beschossen wurden.

Als in Bonnets Film wenig später erneut ein Boot gesichtet wird, laufen die Rettungsmaßnahmen an. Auf zwei Motorbooten nähern sich die Teams dem überfüllten Schlauchboot und beginnen, die Menschen einzeln auf die beiden Motorboote zu evakuieren. Als die Boote die Geretteten zur „Ocean Viking“ zurückfahren, wartet an Bord des ehemaligen Offshore-Versorgungsschiffs der Rest der Besatzung und hilft den Geflüchteten an Bord.

In klarer Arbeitsteilung der Crew erfolgt die medizinische Erstuntersuchung, die Ausgabe von Versorgungspaketen und eine erste grobe Einführung in das Leben an Bord, dann können die Menschen duschen und sich ausruhen.

Am Morgen nach der Rettung

Jean-Baptiste Bonnet begann als Fotograf und realisierte 2018 seinen ersten Kurzfilm „Zones“. 2020 entstand gemeinsam mit Co-Regisseurin Laurine Estrade sein erster langer Dokumentarfilm „Here Lions Once Roared“ über eine Region im Süden Frankreichs an der Grenze zu Spanien. Hier wurden Fossilien des Menschen von Tautavel gefunden. „Save Our Souls“ ist Bonnets zweiter Langfilm.

Am Morgen nach der Seerettung sind vielen der Geflüchteten die Erschöpfung nach ihrem bisherigen Weg anzusehen. In den folgenden Tagen, auf dem Weg in Richtung Italien, klärt die Crew in mehreren Sprachen über den weiteren Verlauf der Reise und das Rechte auf Asyl und den unterschiedlichen Schutzstatus in der Europäischen Union auf.

Allmählich entsteht auf dem Schiff eine temporäre Gemeinschaft, die die Geflüchteten auf ihre Ankunft im Hafen von Salerno, südlich von Neapel, vorbereitet.

Bonnets Film findet in den Bildern dieser temporären Gemeinschaft unübersehbar zu sich selbst. Seine Dokumentation der Arbeit der „Ocean Viking“ war zuvor schon eindrucksvoll, aber in den Bildern der Interaktion der Menschen an Bord zeigt sich eine berührende Empathie.

„Save Our Souls“ macht mit Nachdruck sichtbar, wie wichtig der Einsatz von Organisationen wie der [3][SOS Méditerranée,] die die „Ocean Viking“ betreibt, ist. Seit die Bundesregierung im Sommer die Gelder für Seenotrettung im Mittelmeer gestrichen hat, sind viele der Organisationen, die die Seenotrettung im Mittelmeer organisieren noch einmal mehr auf Spenden angewiesen.

9 Oct 2025

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AUTOREN

Fabian Tietke

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