taz.de -- Krieg in der Ukraine: Eine Frage des politischen Willens

In der Ukraine ist der EU-Gipfel zu Russlands Milliarden in den Medien ein bestimmendes Thema. Die Frage ist: Werden sie die Unterstützung Kyjiws freigeben?
Bild: Kyjiw im Dezember 2025 mit Bombenschäden: Die Ukraine ist dringend auf das Geld der russischen Zentralbank in Europa angewiesen

In der ukrainischen Presse ist die Debatte zur Verwendung eingefrorener russischer Staatsvermögen zwecks Unterstützung der Ukraine derzeit ein Topthema. Unter dem Titel „Nationalist, Separatist, Pragmatiker. Alles über den Regierungschef Belgiens, der Gelder für die Ukraine blockiert hat“ widmet das Nachrichtenportal Ukrainska Pravda dem Politiker Bart De Wever eine längere Abhandlung.

Viel Raum in der Berichterstattung nimmt auch der Konflikt zwischen Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán und der EU [1][am Rande des EU-Gipfels in Brüssel] ein. Orban soll gesagt haben, es gebe keine ausreichende Unterstützung unter den Mitgliedstaaten für die Nutzung dieser Gelder. Die Idee, russische Vermögen zu konfiszieren und an die Ukraine weiterzuleiten, habe Orbán als „Schritt in den Krieg“ und „Weg in eine Sackgasse“ bezeichnet, berichten ukrainische Medien.

Das Thema bei der Nutzung russischer Aktiva für die Ukraine seien in erster Linie nicht [2][juristische Hindernisse], so der Politologe Sergej Sumlenny auf dem Portal radiokhartia.com. Es gehe vielmehr darum, dass in den Ländern Europas der politische Wille fehle.

Außerdem gehe es nicht um das Vermögen russischer Oligarchen, sondern um souveräne Gelder der russischen Zentralbank. Und die wiederum sei direkt mit dem russischen Staat verbunden und somit auch für dessen Verbrechen in der Ukraine mitverantwortlich. Aus juristischer Sicht sei die Nutzung dieser Mittel möglich und mit internationalem Recht vereinbar. Sumlenny führt die Zurückhaltung vieler europäischer Regierungen auf politische Ängste vor möglichen Reaktionen Moskaus zurück.

Warnung vor gravierenden Folgen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte unterdessen vor gravierenden Folgen, sollte die EU auf die Nutzung eingefrorener russischer Vermögen verzichten. Rund 200 Milliarden Euro dieser Gelder befinden sich innerhalb der EU. Ohne deren Einsatz gerate die Ukraine in eine deutlich schwächere Position.

Selenskyj betonte, dass jeder Krieg am Verhandlungstisch ende – dafür müsse die Ukraine jedoch stark bleiben. Eine stabile Finanzierung sei entscheidend, um Russland zu Verhandlungen zu bewegen. Ohne diese Perspektive werde Präsident Wladimir Putin weder an Diplomatie noch an Dialog interessiert sein.

„Mich interessiert diese ganze Debatte überhaupt nicht“ sagt eine Frau namens Olfa, die als Verkäüferin arbeitet. „Ich verdiene jetzt meine 500 Euro und ich werde sie auch im nächsten Monat verdienen. Ich persönlich jedenfalls werde von diesen Geldern, sollten sie jemals kommen, nichts haben.“

19 Dec 2025

LINKS

[1] /Eingefrones-russisches-Vermoegen/!6134553
[2] /EU-Plan-zu-russischem-Vermoegen/!6139277

AUTOREN

Bernhard Clasen

TAGS

Europäische Union
Wolodymyr Selenskyj
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Reden wir darüber
EU-Gipfel
EU-Gipfel
Vermögen
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Europäische Union

ARTIKEL ZUM THEMA

EU-Gipfel sichert Geld zu: Ukraine bekommt 90 Milliarden – Moskau spottet

Die EU hat die Finanzierung der Ukraine gesichert – wenn auch nicht nach dem „Modell Merz“. Eine andere wichtige Entscheidung steht noch aus.

Russische Vermögen: Deutschland öffnet sich

Bundeskanzler Merz erwägt, eingefrorenes russisches Vermögen zur Unterstützung der Ukraine freizugeben. Wie hoch die Summe ist, bleibt unklar.

Russische Vermögen und Ukrainekrieg: Beim EU-Gipfel könnte es knallen

Die einen wollen russisches Geld der Ukraine zur Verfügung stellen, andere Länder wie Belgien oder Malta stellen sich quer. Was die Gegner befürchten.

Bundeskanzler vor EU-Gipfel: Im Zeichen einer neuen Weltunordnung

Im Bundestag verspricht Friedrich Merz, dass Europa nicht zum Spielball von Großmächten werden darf. Dafür braucht er auch russische Vermögen.

Streit um russisches Vermögen: Vier EU-Länder stellen sich quer

Auf dem EU-Gipfel will Merz durchbringen, dass die EU das russische Zentralbankvermögen übernimmt. Doch nicht alle sind einverstanden.