taz.de -- USA unter Trump: Supreme Court ebnet Weg für Racial Profiling

Der mehrheitlich konservative Supreme Court gibt den Bundesbehörden mehr Freiheiten bei der Kontrolle von vermeintlich illegalen Einwanderern.
Bild: Protest vor dem Supreme Court gegen Trumps rassistische Politik

Washington taz | Der Oberste Gerichtshof der USA macht den Weg frei, damit die US-Regierung um [1][Präsident Donald Trump] ihre Anti-Einwanderungspolitik weiter ausweiten kann. Die konservative Mehrheit am amerikanischen Supreme Court entschied am Montag, eine einstweilige Verfügung in Kalifornien außer Kraft zu setzen und den Bundesbehörden bei der Kontrolle von vermeintlich illegalen Einwanderer:innen mehr Freiheiten einzuräumen.

Die einstweilige Verfügung, die sich auf Kontrollen der Einwanderungsbehörde ICE im kalifornischen Los Angeles bezog, hatte es den Behörden verboten, Menschen nur wegen ihres Aussehens, Arbeitsplatzes, Aufenthaltsort oder ihrer Sprache zu kontrollieren.

In einer 6-zu-3-Entscheidung befanden die Richter am Supreme Court, dass diese Restriktionen zu weit gehen würden. Eine offizielle Begründung für diese Entscheidung blieben die sechs Richter, wie bei Eilverfahren üblich, schuldig. Nur der konservative Richter Brett Kavanaugh erläuterte sein Denken. Laut ihm gehöre es zum gesunden Menschenverstand, dass ICE-Agenten, Person auch aufgrund ihres Erscheinungsbilds kontrollieren und nach ihrem Einwanderungsstatus befragen würden.

Dass dies zu Racial Profiling führen könnte, also der gezielten Kontrolle von Personen aufgrund ihrer ethnischen Merkmale, und Menschen dadurch diskriminiert würden, erwähnte er nicht. Vor allem in einer Metropolregion wie Los Angeles, wo mehr als die Hälfte aller Einwohner:innen lateinamerikanischer Abstammung sind, könnte dies zu einer Zweiklassengesellschaft führen. Kavanaugh erklärte zudem, dass eine Kontrolle der Einwanderungspapiere bei Menschen mit legalem Aufenthaltsrecht typischerweise schnell vorbei sei.

Gefahr für die Grundrechte

„Was das Anhalten von Personen betrifft, die sich legal im Land aufhalten, so ist die Befragung in diesen Fällen in der Regel kurz, und die Personen können umgehend freigelassen werden, nachdem sie den Einwanderungsbeamten klargemacht haben, dass sie US-Bürger sind oder sich anderweitig legal in den Vereinigten Staaten aufhalten“, schrieb Kavanaugh.

Gegen diese Einschätzung sprechen Erfahrungsberichte aus den vergangenen Wochen und Monaten. Immer wieder gibt es Fälle, in denen selbst amerikanische Staatsbürger bei [2][Razzien der Einwanderungsbehörde] verhaftet werden und erst nach mehr als 24 Stunden wieder freigelassen werden.

Die drei liberalen Richter am Supreme Court, die der Mehrheit widersprachen, erklärten, dass die Entscheidung, die in der Verfassung verankerten Freiheiten der Menschen untergraben würde.

„Unzählige Menschen im Raum Los Angeles wurden gepackt, zu Boden geworfen und in Handschellen gelegt, nur wegen ihres Aussehens, ihres Akzents und der Tatsache, dass sie ihren Lebensunterhalt mit körperlicher Arbeit verdienen. Heute unterwirft das Gericht unzählige weitere Menschen unnötigerweise genau diesen Demütigungen“, schrieb die Richterin Sonia Sotomayor.

Bestätigung für Trump-Regierung

Die Supreme-Court-Entscheidung ist eine Bestätigung für die Trump-Regierung, die ihre Einwanderungskontrollen in den nächsten Tagen und Wochen weiter verschärfen will. Justizministerin Pam Bondi feierte die Supreme Court Entscheidung als einen „riesigen Sieg“ in einem Post auf X.

Sie erlaubt es ICE-Agenten nun, das Erscheinungsbild von Personen in Großraum Los Angeles als Vorwand für deren Kontrolle zu benutzen. Auch wenn die Richter die einstweilige Verfügung aus der Vorinstanz außer Kraft setzen: Über die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Kontrolle wurde nicht entschieden. Der Rechtsstreit darüber geht somit weiter. Eine nächste Anhörung ist für den 24. September angesetzt.

In der vergangenen Woche gab die Heimatschutzbehörde DHS, zu der die Vollstreckungsbehörde ICE gehört, bekannt, dass seit dem 6. Juni in der Region Los Angeles mehr als 5.200 Menschen verhaftet worden seien.

Bürgerrechtsorganisationen kritisieren die Anordnung scharf: „Die Anordnung des Obersten Gerichtshofs ist empörend, da sie selbst keine Begründung enthält und die gut begründeten Urteile der Vorinstanz außer Kraft setzt. Wir werden in diesem und anderen Fällen weiter für unser Grundrecht kämpfen, unser Leben zu leben, ohne von Regierungsbeamten aufgrund von Racial Profiling ins Visier genommen zu werden“, sagte Cecillia Wang, nationale Rechtsexpertin der Organisation ACLU.

Militäreinsatz „Midway Blitz“ angekündigt

Nur wenige Stunden vor der Bekanntgabe der Supreme-Court-Entscheidung verkündete DHS, dass man eine neue Einwanderungs-Operation namens „Midway Blitz“ starten werde. Ziel sei es, kriminelle illegale Einwanderer aus Chicago und dem Bundesstaat Illinois zu entfernen.

„Diese ICE-Operation zielt auf die kriminellen illegalen Einwanderer ab, die nach Chicago und Illinois strömten, weil sie wussten, dass Gouverneur Pritzker und seine Asylpolitik sie schützen und ihnen erlauben würden, sich frei auf amerikanischen Straßen zu bewegen“, hieß es in der offiziellen Presserklärung.

Trump hatte Chicago und dem demokratischen Gouverneur Illinois, JB Pritzker, seit Wochen mit einem möglichen Aufmarsch von [3][Nationalgardisten] gedroht, um die Kriminalität in der Stadt zu bekämpfen. Ob dies weiterhin geplant sei, ließ der Präsident offen.

9 Sep 2025

LINKS

[1] /US-Praesident-droht-Chicago/!6109060
[2] /Migrationspolitik-USA/!6109028
[3] /US-Militaer-im-Inland/!6109740

AUTOREN

Hansjürgen Mai

TAGS

Schwerpunkt USA unter Trump
Donald Trump
Abschiebung
Supreme Court
Schwerpunkt Rassismus
Racial Profiling
Reden wir darüber
Social-Auswahl
USA
Schwerpunkt USA unter Trump
Kinderfilm
Schwerpunkt USA unter Trump

ARTIKEL ZUM THEMA

Geflüchtete in den USA: Trump schränkt Flüchtlingsaufnahme massiv ein

Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hat die Aufnahme Geflüchteter drastisch eingeschränkt. Nur ein Bruchteil der bisherigen Obergrenze soll noch aufgenommen werden.

US-Präsident droht Chicago: Trump erklärt Städten den Krieg

Der US-Präsident will die Stadt Chicago spüren lassen, „warum es Kriegsministerium heißt“. Die USA sind auf dem besten Weg in den Faschismus.

Film „Tafiti – Ab durch die Wüste“: Ein Erdmännchen gegen Rassismus

Eine Coming-of-Age-Geschichte für Minis: Der Animationsfilm „Tafiti – Ab durch die Wüste“ übersetzt das Kinderbuch von Julia Boehme überzeugend.

Nationalgarde in den USA: Trump deutet Einsatz in New Orleans an

Obwohl die Kriminalitätsraten rückläufig sind, erwägt der US-Präsident den Einsatz der Nationalgarde in mehreren demokratisch regierten Großstädten.